Die besten Freunde meines Lebens - Roman
Woher wollte Nicci wissen, wie sie die Welt sah?
Nach und nach füllte sich der Raum mit alten Uni-Freunden und Niccis neuen Freunden aus der Modewelt. Obwohl Lizzie ge nug gestylt war, um als eine von ihnen durchzugehen (auch wenn die meisten wohl lieber gestorben wären, als in Kleidergröße vierundvierzig das Haus zu verlassen), fühlte sie sich in ihrer Gegenwart noch unbehaglicher als bei den karrierebewussten Anzugtypen, mit denen Gerry herumhing. Daneben waren noch einige linkisch wirkende Typen da, bei denen es sich vermutlich um Davids Arbeitskollegen handelte.
»Ich meine es ernst«, sagte Nicci.
»Das weiß ich.«
»Es gibt zahllose nette Männer, die dir mit Freuden zu Füßen liegen würden.«
»Ha! Du hast leicht reden.« Lizzie deutete auf Niccis ramponierte Army-Hose, die an den Knöcheln hochgekrempelt war, auf das winzige, ärmellose, mit Pailletten bestickte Top und die funkelnden High Heels, in denen sie fast so groß war wie Jo barfuß.
Die Riemchenschuhe waren ein Geburtstagsgeschenk von David, der zuvor von Nicci genau instruiert worden war. Es waren Schuhe von Jimmy Choo, ein Schuhdesigner, von dem Lizzie und Jo noch nie gehört hatten. Diese schreiende Unkenntnis war für Nicci Anlass gewesen, entsetzt die Augen aufzureißen und lauthals zu verkünden, dass jeder, der hip sei, sich im Moment damit eindecke, bevor Jimmy Choo »wirklich Mainstream« werde.
Nicci hatte alles.
Aussehen, Stil, Selbstbewusstsein und einen netten Mann, der sie immerzu ansah, als hätte Gott sich am achten Tag die Zeit genommen, nur sie zu erschaffen. Warum ließ sie Lizzie nicht mit dem wenigen, was sie hatte, zufrieden sein? Gerry war vielleicht nicht Niccis Typ – oder Jos oder Monas –, aber Lizzie hatte ihn gern. Sie glaubte sogar, ihn zu lieben. Und manche Leute hielten ihn für einen guten Fang, Leute wie Lizzies Mutter. Und das genügte Lizzie, da es ihr zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, gelungen war, etwas zu tun, was ihre Mutter beeindruckte.
Die Tische waren an den Rand gestellt worden, und der freie Raum war dicht gedrängt mit Partygästen, als The Chemical Brothers plötzlich mitten im Stück ausgeschaltet wurden.
»Buh!«, ertönte eine Stimme aus der Ecke.
Das war Mad Phil, Davids Kumpel von der Uni, der inzwischen, da er als Assistenzarzt am St. Thomas’ Hospital arbeitete, nicht mehr ganz so verrückt war. Nicci sagte immer, wenn sie auf dem Totenbett läge und Mad Phil mit dem Stethoskop um den Hals auf sie zukäme, würde sie ihren letzten Schnaufer dazu nutzen, noch schnell die Flucht zu ergreifen.
»Ruhe! David möchte eine Rede halten.«
Nach einigem Gejohle trat schließlich Stille ein, und die Menge versammelte sich in Hufeisenform um David. »Ich wollte nur einen Toast auf das Geburtstagsmädchen ausbringen, bevor wir alle zu sehr zugedröhnt sind«, sagte David, und alle lachten. »Außerdem lasse ich ein paar Flaschen Champagner springen …«
»Ich wette, Cava«, ertönte Niccis Stimme aus dem Hintergrund.
»Ähm, entschuldige, natürlich Jahrgangschampagner«, redete David weiter. »Und ich möchte, dass wir ihn trinken, solange wir den Unterschied noch schmecken können.«
»Wie können wir den Unterschied von etwas schme cken, was wir noch nie probiert haben?«, flüsterte Lizzie Jo zu.
»Das gilt vielleicht für uns«, flüsterte Jo zurück. »Für einige andere aber nicht.« Sie warf einen Blick auf Niccis Arbeitskollegen, die in einem Grüppchen zusammenstanden.
Lizzie spürte einen leichten Stoß im Rücken und drehte sich um, worauf ihr ein Glas Champagner in die Hand gedrückt wurde. Jo nahm ebenfalls eines.
»Sind alle versorgt?«, fragte David.
Nach einigem hektischen Hin und Her hatte jeder ein Glas in der Hand.
»Nicci! Wo ist Nicci?«
»Hier drüben«, rief jemand, und Nicci wurde nach vorne geschoben.
»O Gott«, rief sie, »so ein Aufwand für einen blöden Ge burtstag. Wer wird schon gerne alt?« Doch sie genoss es. Nicci hatte es schon immer geliebt, im Mittelpunkt zu stehen.
David reichte ihr ein Glas. »Offen gestanden«, sagte er, »geht es nicht nur um einen ›blöden Geburtstag‹. Es geht um so viel mehr.«
Lizzie bekam Gänsehaut. Es waren nicht so sehr die Worte, sondern eher sein Ton: um so viel mehr. Die anderen Gäste schienen das genauso zu empfinden, denn plötzlich war es mucksmäuschenstill. Lizzie und Jo wechselten einen Blick. War es das, was sie beide dachten?
»Nicci …« Davids Stimme wurde
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