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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erkennbaren Bewegung wickelte sich das Knäuel immer wieder auf. Das rothe Signal des Weichenstellers erlosch jetzt, die Lokomotive pfiff und der Zug nach Dieppe setzte sich in Bewegung. Vom weiten, grauen Himmel begannen vereinzelte Regentropfen zu fallen. Es schien eine regnerische Nacht werden zu wollen.
    Als Roubaud sein Gesicht zurückwandte, sah es finster und verbissen aus, als hätte die Nacht da draußen auch auf sein Antlitz ihre Schatten gesenkt. Er war mit sich einig, sein Plan gemacht. Durch das Halbdunkel spähte er nach der Kukuksuhr.
    »Fünf Uhr zwanzig Minuten,« sagte er.
    Er war betroffen: in knapp einer Stunde hatten sich so viele Dinge abgespielt! Ihm kam es vor, als hätten sie sich hier seit Wochen gegenseitig aufgefressen.
    »Fünf Uhr zwanzig Minuten. Wir haben also noch Zeit.«
    Séverine wagte nicht ihn zu fragen, doch ihre angsterfüllten Blicke wichen nicht von ihm. Sie sah ihn im Schranke wühlen und Papier, ein Fläschchen Dinte und einen Federhalter hervorziehen.
    »Du wirst jetzt schreiben.«
    »Wem?«
    »Ihm natürlich. –Setze Dich.«
    Sie hielt sich instinctiv von einem Stuhle fern, ohne recht zu wissen, was er wollte. Er aber packte sie, führte sie an den Tisch und drückte sie dort mit solcher Wucht auf den Stuhl nieder, daß sie sich nicht wieder erhob.
    »Schreibe: »»Reisen Sie heute Abend mit dem Schnellzuge um sechs Uhr dreißig Minuten und zeigen Sie sich erst in Rouen.««
    Sie hielt wohl die Feder, aber ihre Hand zitterte, ihre Furcht vermehrte die unbekannte Absicht ihres Mannes. Was bezweckte er mit diesen beiden nichtssagenden Zeilen? Sie wagte sogar, fragend den Kopf zu ihm zu erheben.
    »Was willst Du beginnen? … Ich bitte Dich, erkläre mir …« »Schreibe, schreibe,« wiederholte er mit seiner harten, befehlenden Stimme.
    Dann tauchte er ohne Zorn, ohne Schimpfworte, aber mit einer so eisernen Nachdrücklichkeit, daß es sich wie eine Centnerlast auf sie niedersenkte und ihre Sinne schwinden machte, seine Augen tief in die ihrigen.
    »Was ich thun will, Du wirst es bald sehen … Und daß Du mich nur verstehst, was ich beginne, das thun wir Beide gemeinsam … Wir bleiben später auch hübsch bei einander, es giebt nämlich dann so etwas Bindendes zwischen uns Beiden.«
    Er erschreckte sie so, daß sie es noch einmal wagte, sich zu widersetzen.
    »Nein, nein, erst will ich wissen … Ich schreibe nicht eher, bis ich weiß, um was es sich handelt.«
    Er war des vielen Redens müde. Er nahm ihre zarte Kinderhand in die seine und preßte sie in seiner eisernen Faust wie in einem Schraubstock, er hätte sie zerquetscht, wenn sie noch länger widerstrebt haben würde. Sie sollte unter Schmerzen seinen Willen kennen lernen. Sie schrie auf, alles brach in ihrem Innern und widersetzte sich nicht länger. Eine Ignorantin wie sie, die in ihrer passiven Milde nichts gelernt hatte, konnte nicht anders als gehorchen: ein williges Instrument für die Liebe wie für den Tod.
    »Also schreibe, schreibe.«
    Und sie schrieb mühsam mit ihrer armen gefolterten Hand, was er verlangte.
    »Gut so, immer recht artig,« sagte er, als er den Brief in Händen hatte. »Inzwischen bringe hier alles wieder in Ordnung. Ich hole Dich bald ab.«
    Er war vollständig gelassen. Er brachte vor dem Spiegel den Knoten seiner Kravatte in Ordnung, nahm seinen Hut und ging. Sie hörte, wie er die Thür zweimal verschloß und den Schlüssel herauszog. Die Dunkelheit wuchs mehr und mehr. Séverine blieb noch einen Augenblick auf dem Stuhle sitzen und lauschte gespannt auf die von draußen hereindringenden Geräusche. Nebenan in dem Zimmer der Zeitungsverkäuferin ein beständiges Heulen und Winseln; wahrscheinlich war ein Hündchen dort eingesperrt. Bei den Dauvergne war das Piano verstummt. Dagegen hörte man ein Geklapper von Topfen und sonstigem Geschirr. Die beiden Wirthschaftsvorsteherinnen hatten jetzt in der Küche zu thun. Claire bei einem Hammel-Ragout, Sophie bei einem Salatkopf. Und sie, allein, halb ohnmächtig hier oben in der schrecklichen Öde der hereinbrechenden Nacht, mußte hören, wie Jene heiter lachten.
    Seit sechs und ein viertel Uhr stand die Lokomotive des Schnellzuges nach Havre bereits gekuppelt vor dem Zuge. Die Halle war mit Waggons überfüllt. Daher hatte der Zug nicht in der Halle aufgestellt werden können. Er hielt draußen neben dem Bahnsteig, der in eine Art schmalen Defilées auslief, in dem Dunkel des tintenschwarzen Himmels, das von den wenigen längs des

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