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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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westlichen Regengüssen macht es den Eindruck wüster Oede. Und diese Verlassenheit scheint die Einsamkeit dieses verlorenen Winkels noch zu erhöhen; auf eine Meile in der Runde begegnet man keiner menschlichen Ansiedlung.
    Nur das Bahnwärterhäuschen steht in dem Winkel der Landstraße, die über den Eisenbahndamm fort nach dem fünf Kilometer entfernten Doinville führt. Niedrig, mit rissigen Mauern und von Schwamm angefressenen Dachziegeln kauert es wie ein armseliger Bettler inmitten des mit Gemüsebeeten bestellten, von einer lebendigen Hecke eingeschlossenen herrschaftlichen Gartens, in welchem sich auch ein tiefer Schöpfbrunnen vorfindet. Der im gleichen Niveau mit der Bahnstrecke liegende Uebergang befindet sich genau halbwegs zwischen Malaunay und Barentin, vier Kilometer von jeder Ortschaft entfernt. Er wird übrigens sehr wenig benutzt, die halbmorsche Barriere öffnet sich fast nur für die Blockwagen der Kärrner aus dem in einer Entfernung von einer halben Meile mitten in der Forst gelegenen Bécourt. Man kann sich kein abseitigeres, von Menschen mehr gemiedenes Nest denken als dieses, denn der lange Tunnel nach Malaunay hin schneidet jeden Verkehr ab; so kann man zum Beispiel nach Barentin nur auf einem schlecht unterhaltenen Fußpfade gelangen, der längs der Bahnstrecke führt. Aber auch dort sieht man nur selten Leute.
    An dem Abend aber, an welchem unsere Erzählung begann, sah man gegen Dunkelwerden bei einer milden, aber trüben Witterung einen Reisenden, der den Zug in Barentin verlassen hatte, mit lang ausholenden Schritten den Fußpfad nach la Croix-de-Maufras verfolgen. Das Gelände bildet hier eine ununterbrochene Folge von Thälern und Abhängen und durch dieses wellige Land führt die Eisenbahn abwechselnd auf künstlich aufgeschütteten Dämmen und in der Tiefe zwischen den Bergen. Dieser beständige Terrainwechsel, die Höhen und Tiefen zu beiden Seiten der Strecke, verhindern die Anlegung von Landstraßen. Das Gefühl großer Einsamkeit wird dadurch noch vermehrt; das dürre, weiß schimmernde Erdreich ist unbebaut geblieben; halbwüchsige Bäume krönen einige Schwellungen des Bodens, während tief unten durch die Thäler von Weiden beschattete Bäche rieseln. Wieder andre, kreidige Anhöhen sind vollständig nackt und unfruchtbare Abhänge folgen sich; das Schweigen und die Bangigkeit des Todes lagert über der Gegend. Der junge, kräftige Reisende beschleunigte seinen Schritt, als wollte er der Traurigkeit dieses milden Halbdunkels über diesem einsamen Stückchen Erde entrinnen.
    In dem Garten beim Bahnwärterhäuschen schöpfte eine große, kräftige Blondine, ein achtzehnjähriges junges Mädchen mit starken Lippen, grünlich schimmernden Augen und einer niedern Stirn unter den schweren Haarflechten Wasser aus dem Brunnen. Niedlich konnte man sie kaum nennen, denn sie hatte kräftige Hüften und muskulöse Arme wie ein Mann, Als sie eben den den Fußpfad heruntersteigenden Fremden bemerkte, ließ sie den Eimer fallen und eilte vor die durchbrochene Thür, welche die lebendige Hecke abschloß.
    »Oho! Jacques!« rief sie.
    Jener blickte auf. Er mochte sechsundzwanzig Jahre zählen und war ebenfalls groß gewachsen und sehr gebräunt, ein hübscher Bursche mit einem runden regelmäßigen Gesicht, das leider zu stark entwickelte Kinnbacken verunzierten. Seine dicht stehenden Haare, ebenso sein Schnurrbart lockten sich so tiefschwarz, daß dadurch das Fahle seiner Gesichtsfarbe noch verstärkt wurde. Die Feinheit seiner auf den Backen glattrasirten Haut hätte auf einen Herrn der besseren Gesellschaft schließen lassen, wenn man nicht auf der andern Seite die untilgbaren Merkmale des Handwerkers erblickt haben würde: die Schmiere, welche seine Mechanikerhände schon gelb zu färben begann; übrigens waren diese Hände trotzdem klein und geschmeidig.
    »Guten Abend, Flore,« gab er zurück.
    Aber seine Augen, die so lange groß und schwarz in die Welt geblickt hatten, schienen zu erbleichen, als blende sie ein röthlicher Dunst. Die Lider klappten auf und nieder und die Augäpfel wanderten zur Seite. Ein Gefühl unsäglicher Verlegenheit, ja des Uebelseins ließ ihn furchtbar leiden; selbst der ganze Körper machte eine instinktive Rückwärtsbewegung.
    Sie stand unbeweglich da. Ihre Blicke waren fest auf ihn gerichtet, so daß ihr das unfreiwillige Erzittern, dessen er vergebens Herr zu werden sich bemühte, nicht entgangen war. Sie kannte es bereits, es überfiel Jenen jedesmal,

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