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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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daß sie so viel Blut besaß. Und was ihn besonders bannte, war die Maske fürchterlicher Angst, die das Gesicht dieser niedlichen, sanften,folgsamen Frau angenommen hatte. Die schwarzen Haare hatten sich gesträubt und bildeten einen Helm des Schreckens, düster wie die Nacht. Die übernatürlich weit geöffneten Nixenaugen suchten noch immer, stumm und starr das schreckliche Geheimniß zu ergründen. Warum, warum hatte er sie ermordet? Unwissend, daß das Leben Koth in das Blut mischt, hingebend und unschuldig, so daß sie es nie begriffen hätte, hatte sie ihr Unstern in die Hände des Mörders geführt.
    Jacques fuhr zusammen. Er hörte das Röcheln einer Bestie, das Grunzen eines Wildschweines, das Brüllen des Löwen in seiner Nähe. Doch schnell beruhigte er sich wieder, er selbst athmete so heftig. Endlich hatte er es also gewagt, er hatte getödtet! Ja, er hatte das da gethan. Eine zügellose Freude, ein mächtiges Vergnügtsein durchwogte ihn angesichts der endlichen Erfüllung seines ewigen Wunsches. Er verspürte eine ehrgeizige Ueberraschung, die vergrößerte Souveränität seines männlichen Geschlechts. Er hatte diese Frau getödtet, er besaß sie nun so, wie er sie schon immer zu besitzen gewünscht hatte, ganz, allmächtig. Sie war nicht mehr, sie konnte also niemandem mehr angehören. Die Erinnerung an einen anderen Ermordeten, den Präsidenten Grandmorin, dessen Leichnam er in jener Nacht, keine fünfhundert Meter von hier gesehen hatte, trat lebhaft vor seine Erinnerung. Dieser zarte, weiße, vom röthlichen Licht bestrahlte Körper, er war derselbe menschliche Fetzen, derselbe zerbrochene Hampelmann und schwammige Lappen, den ein Stoß mit dem Messer aus dem Menschen macht. Ja, so war es. Er hatte getödtet und das da zu Boden gestreckt. Wie der andere war auch sie hingeschlagen, nur mit dem Unterschiede, daß sie auf dem Rücken lag mit gespreizten Beinen, den linken Arm unter der Hüfte, den rechten gekrümmt, fast losgelöst von der Schulter. Hatte nicht in jener Nacht sein Herz mächtig pulsirt und er sich unter dem Kitzel seiner Haut beim Anblick des ermordeten Mannes geschworen, es auch zu wagen? O nur nicht feige sein, sein Gelüst befriedigen und das Messer eintauchen! Dieser Trieb hatte sich in ihm entwickelt, nicht in einer Stunde, seit einem Jahre, ohne daß er es gewußt, daß er auf das Unvermeidliche losmarschirte. Aber am Halse dieser Frau, unter ihren Küssen war die schwereArbeit vollbracht worden. Die beiden Mordthaten vereinigten sich, war die eine nicht die logische Folge der anderen?
    Ein Poltern und Krachen der Dielen zog Jacques von den Betrachtungen ab, die ihm beim Anblick der Todten durch den Kopf flogen. Sprangen schon die Thüren auf? Kamen Leute, um ihn zu verhaften? Er sah umher, nichts störte das düstre Schweigen des Hauses. Da kam wieder ein Zug vorüber und jetzt fiel ihm auch der Mann ein, der bald unten klopfen mußte und den er tödten sollte! An ihn hatte er garnicht mehr gedacht. Er bedauerte nichts und doch schalt er sich einen Dummkopf. Was war geschehen? Die von ihm leidenschaftlich geliebte Frau lag mit offener Wunde auf dem Boden, während der Mann, das Hemmniß ihres Glückes, noch immer lebte und Schritt für Schritt durch die Finsterniß näherkam. Er hatte diesen Mann, der lediglich durch die Skrupeln der Erziehung, durch die langsam erworbenen und überlieferten Ideen der Humanität von ihm geschont worden war, nicht ermorden können. Unter Mißachtung seiner eigenen Interessen hatte ihn die Erbschaft der Grausamkeit, des Mordinstinctes, der in vorzeitigen Forsten ein Thier auf das andere jagte, blind gemacht. Tödtet man auch mit Ueberlegung? Man tödtet unter dem Stachel des Blutes und der Nerven, einem Reste der einstigen Kämpfe, der Lust am Leben und der Freude, der Stärkere zu sein. Er verspürte mehr als nur eine gesättigte Mattigkeit, er erschrak bereits, er suchte zu begreifen, ohne etwas anderes zu finden als inmitten seiner befriedigten Leidenschaft das bittere Erstaunen und die Trauer über das nicht gut zu machende. Der Anblick der Unglücklichen, die ihn noch immer mit ihren tragischen, erschrockenen Augen ansah, wurde ihm peinlich. Er wollte seine Augen abwenden und hatte plötzlich die unangenehme Empfindung, als ob am Fußende des Bettes sich noch eine andere weiße Gestalt drohend aufrichtete. Hatte sich die Todte verdoppelt? Nein, es war Flore. Sie war also schon wieder da, wie in seinen Fieberträumen nach jenem Unglück.

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