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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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konnte. Sie gingen in dieKüche und setzten sich an den Tisch, während sie Gläser und eine Flasche Branntwein vor sie hinstellte. Dann sagte sie etwas leiser als gewöhnlich:
    »Wir dürfen keinen Lärm machen, mein Bruder schläft über uns. Er hat es nicht gern, daß Jemand bei mir ist.«
    Während sie ihnen einschenkte, setzte sie hinzu:
    »Wißt Ihr schon, daß Frau Lebleu heute Morgen gestorben ist? … O ich habe es immer gesagt, daß sie krepiren wird, wenn man sie in die Hinterwohnung, ein wahres Gefängniß, sperrt. Vier Wochen hat sie trotzdem den Anblick des Zinkdaches ertragen … Daß sie sich aus ihrem Sessel nicht mehr erheben konnte, hat ihr sicher den Rest gegeben, denn nun konnte sie Fräulein Guichon und Herrn Dabadie nicht mehr belauschen, was ihr nachgerade zur zweiten Natur geworden war. Sie ist vor Wuth, Jene nie abgefaßt zu haben, jedenfalls geborsten.«
    Philomène unterbrach sich, um einen großen Schluck Branntwein zu sich zu nehmen, dann sagte sie lachend:
    »Sie schlafen jedenfalls zusammen, aber sie verstehen die Sache! … Ich glaube, die kleine Frau Moulin weiß etwas, sie hat sie eines Abends gesehen. Aber die spricht nicht: die ist zu dämlich und ihr Mann erst, der Unter-Inspector …«
    Von Neuem unterbrach sie sich, um auszurufen:
    »In der nächsten Woche kommt ja auch die Sache Roubaud in Rouen vor.«
    Bisher hatten Jacques und Pecqueux schweigend zugehört. Der Letztere fand Philomène heute äußerst geschwätzig. Wenn sie beide allein waren, trug sie weit weniger die Kosten der Unterhaltung. Seine Augen verließen sie keinen Augenblick, er schwitzte vor Eifersucht, denn es war klar, daß sie nur seines Vorgesetzten wegen so aufgeräumt war.
    »Ja,« antwortete der Locomotivführer völlig gefaßt, »ich habe ebenfalls die Vorladung erhalten.«
    Philomène näherte sich ihm und freute sich, ihn mit dem Ellbogen streifen zu können.
    »Ich auch, ich bin Zeugin … Als man mich über Sie ausfragte, Herr Jacques, denn man wollte die volle Wahrheit über Ihre Beziehungen zu der unglücklichen Frau wissen, ja als man mich über Sie ausfragte, sagte ich zum Richter:»Er betete sie an, Herr Richter, es ist ganz unmöglich, daß er ihr etwas angethan hat!« That ich nicht recht so? Ich habe Sie Beide oft genug bei einander gesehen, ich war also berechtigt, so zu sprechen.«
    »O ich bin nicht besorgt,« erwiderte der junge Mann gelassen, »ich kann Stunde für Stunde nachweisen, wie ich meine Zeit zugebracht habe … Die Gesellschaft hat mich doch jedenfalls behalten, weil mir nicht der leiseste Vorwurf zu machen ist.«
    Es trat Schweigen ein, alle drei tranken langsam.
    »Ich zittre noch vor diesem Cabuche,« begann Philomène von Neuem, den man ja noch mit dem Blut der armen Dame bedeckt verhaftet hat! Was für dumme Männer giebt es doch! Eine Frau zu tödten, wenn man ihr nachstellt! Wenn die Frau nicht mehr lebt, ist doch überhaupt alles zu Ende! … Ich werde auch mein Leben lang nicht vergessen, wie Herr Cauche Herrn Roubaud auf dem Perron verhaftete. Ich war gerade dabei. Ihr wißt, daß es nur drei Tage später geschah. Als Herr Roubaud am Tage nach der Beeidigung seiner Frau ganz unschuldig den Dienst wieder antreten wollte, klopfte ihm Herr Cauche auf die Schulter und sagte zu ihm, er hätte den Befehl, ihn in’s Gefängniß zu bringen. Ihr könnt Euch denken, gerade ihn, der mit ihm Nacht für Nacht gespielt hatte! Aber wenn man Polizeikomnissär ist, muß man selbst seinen Vater und seine Mutter unter die Gouillotine schleppen, wenn es der Dienst verlangt. Er machte sich auch nichts daraus, dieser Herr Cauche, denn ich sah ihn nachher im Café du Commerce die Karten mischen, als wäre ihm sein Freund genau so viel gewesen, wie der Großtürke!«
    Pecqueux hatte sich in die Lippen gebissen und schlug jetzt mit der Faust auf den Tisch.
    »Zum Donnerwetter, ich hätte an dieses Schmachtlappens Stelle sein müssen! … Sie schliefen bei seiner Frau, ein Andrer tödtete sie ihm und er läßt sich geduldig einsperren … Die Platze könnte man bekommen!«
    »Du Schafskopf,« ereiferte sich Philomène, »man beschuldigt ihn ja, Jemand zum Morde seiner Frau angestiftet zu haben, er wollte sie Geldinteressen halber los sein; was weiß ich! Ich glaube, man hat bei diesem Cabuche dieUhr des Präsidenten Grandmorin gefunden, der, wie Ihr wißt, vor ungefähr achtzehn Monaten im Koupee ermordet wurde. Man hat nun jenen Mord mit diesem in Verbindung gebracht und es ist eine ganz

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