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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Sie triumphirte, denn jetzt war sie gerächt. Der Schreck ließ sein Blut gefrieren, er fragte sich, warum er eigentlich noch immer hier sei. Er hatte gemordet, erwürgt und war trunken von dem fürchterlichen Weine des Verbrechens. Er zitterte vor dem auf der Erde liegenden Messer,er floh, stürzte fast die Treppe herunter, öffnete die große Thür der Veranda, als ob ihm die kleine Hinterthür nicht Raum geboten hätte, sprang über die Brüstung und stürmte wild in die Nacht hinaus. Er sah sich nicht um, das düstere Haus neben dem Eisenbahndamm blieb offen und trostlos in seiner todesähnlichen Verlassenheit weit hinter ihm zurück.
    Cabuche streifte in dieser Nacht wie immer unter dem Fenster Séverine’s umher. Er wußte, daß Roubaud erwartet wurde und wunderte sich daher nicht, daß ein schwacher Lichtstrahl durch die Fensterläden sich stahl. Aber dieser über die Brüstung springende und wie eine wüthende Bestie in das Land hinaus galoppirende Mensch überraschte ihn nicht wenig. Es war zu spät, um sich noch an die Verfolgung des Flüchtigen zu machen, der Kärrner blieb deshalb erschrocken und von Unruhe und Angst gefoltert vor der offenen Thür stehen, die das große schwarze Loch der Vorhalle sehen ließ. Was war geschehen? Sollte er eintreten? Das tiefe Schweigen, keine einzige Bewegung im Hause, während doch die Lampe oben hell brannte, schnürten ihm das ängstlich schlagende Herz ein.
    Endlich entschloß sich Cabuche nach oben zu tappen. Vor der ebenfalls weit offen stehenden Thür des Zimmers stand er abermals still. In dem ruhigen Schimmer des Lichts schien es ihm, als läge vor dem Bett ein Häuflein Kleidungsstücke. Séverine war jedensfalls entkleidet. Er rief sie leise, während sein Herz zum Springen klopfte. Mit einem Male sah er das Blut, er begriff und stürzte mit einem fürchterlichen Aufschrei, wie er aus einem zerrissenen Herzen dringt, in das Zimmer. Da sah er sie nun in ihrer bedauernswerthen Nacktheit ermordet auf dem Fußboden liegen. Er glaubte, daß sie noch röchelte, er empfand eine so fürchterliche Verzweiflung und eine so schmerzliche Scham darüber, sie ganz nackt im Todeskampf auf der Erde liegen zu sehen, daß er sie in einer Anwandlung brüderlichen Gefühls in seine Arme nahm, sie aufhob, auf das Bett legte und mit dem zurückgeschlagenen Oberbett zudeckte. Bei dieser Umarmung aber, der einzigen Zärtlichkeit, die sie ausgetauscht, hatte er sich beide Hände und die Brust mit Blut besudelt. Er triefte von Blut.
    In diesem Augenblick traten Roubaud und Misard in das Zimmer. Sie hatten sich ebenfalls entschlossen hinaufzu steigen, als sie alle Thüren offen sahen. Der Gatte hatte sich verspätet, er hatte sich mit Misard in ein längeres Gespräch eingelassen und dieser war beim Erzählen mitgegangen. Beide starrten schreckensbleich Cabuche an, dessen Hände voller Blut klebten wie die eines Schlächters.
    »Derselbe Stich wie bei dem Präsidenten,« sagte Misard, nachdem er die Wunde geprüft.
    Roubaud zuckte mit dem Kopf, ohne zu antworten. Er konnte seine Blicke nicht von Séverine wenden, dieser Schreckensmaske mit den schwarzen aus der Stirn gestrichenen Haaren und den weit aufgerissenen blauen Augen, die noch immer zu fragen schienen: warum?
     

Zwölftes Kapitel
    Drei Monate später führte Jacques in einer lauen Juninacht den Eilzug nach Havre, der Paris um sechs Uhr dreißig Minuten verlassen hatte. Seine neue Locomotive, Nummer 608, eine ganz neue Maschine, der er, wie er sich ausdrückte, die Jungfernschaft genommen hatte und die er nach und nach kennen lernte, war nicht gefällig; sie war unberechenbar, phantastisch wie ein junges Roß, das man auch erst müde machen muß, ehe es sich bequemt, im Geschirr zu gehen. Er fluchte oft auf sie und beklagte die Lison. Er durfte sie keinen Augenblick außer Augen lassen und mußte die Hand stets an der Kurbel des Fahrtregulators haben. Aber in dieser milden Juninacht war er nachsichtig gestimmt, er ließ sie nach Gefallen galoppiren, glücklich, ein wenig aufathmen zu können. Nie zuvor hatte er sich wohler gefunden, das Herz erleichtert von Gewissensbissen in dem mächtigen, glückverheißenden Frieden der Nacht.
    Er, der sonst niemals unterwegs sprach, neckte Pecqueux, den man ihm wieder als Heizer überlassen hatte.
    »Nanu, Ihr reißt ja die Augen auf wie ein Mensch, der nur Wasser trinkt?«
    Pecqueux sah in der That gegen seine sonstige Gewohnheit nüchtern und verdüstert aus.
    »Ja, man muß die Augen

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