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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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vorgehalten hatte: es war sein Interesse, diesen Mann aus der Welt zu schaffen, dann erwartete ihn der Reichthum in Amerika und der Besitz der geliebten Frau. Das schlimme war, daß er Séverine vorhin halb nackt gesehen hatte, dadurch konnte die Sache noch schief gehen, denn er war nicht mehr Herr seiner selbst, sobald der einstigeSchauder ihn wieder beherrschte. Er zitterte sogar vor der zu starken Versuchung, die sich ihm bot, denn das Messer lag da. Aber er blieb jetzt gewappnet gegen jede Schwäche. Ja er würde können. Und in der Erwartung des Mannes durchmaß er das Zimmer von der Thür zum Fenster; er ging jedesmal dicht am Bett vorüber, doch vermied er, dorthin zu blicken.
    Séverine rührte sich nicht im dem Bett, in welchem sie in der Vergangenen Nacht so viele Stunden heißen Verlangens zugebracht hatten. Ihr Kopf ruhte unbeweglich auf dem Kissen, nur ihr ängstlicher Blick folgte ihm, denn sie fürchtete, er würde es abermals nicht wagen. Sie wollte es ja nur aus dem Bewußtsein heraus, dem geliebten Mann gefällig zu sein, um ihm, für den ihr Herz schlug, ganz anzugehören und ohne den Andern los zu sein. Man schob ihn eben auf die Seite, weil er sie genirte, nichts natürlicher als dieses. Sie mußte erst nachdenken, um an dem Morde etwas Abscheuliches zu entdecken: sobald die Vorstellung des Blutes und der schrecklichen Zuckungen erlosch, zeigte sie wieder ihre lächelnde Ruhe und ihr unschuldiges, sanftes und gelehriges Gesicht. Nur wunderte sie sich, daß sie Jacques, den sie zu kennen glaubte, so ganz verändert fand Er hatte noch den runden Kopf eines schönen Mannes, seine gelockten Haare, seinen tiefschwarzen Schnurrbart und seine braunen, mit Gold getupften Augen, aber seine untere Kinnbacke trat so hervor, daß sich ein tiefer Schlund auf seiner Backe gebildet zu haben schien, was ihn sehr entstellte. Als er bei ihr vorüber kam und sie gegen seinen Willen ansah, schien sich ein rother Schleier über seine Augen zu senken und sein ganzer Körper schnellte förmlich zurück. Warum wich er ihr aus? Verließ ihn sein Muth auch diesmal? Sie wußte nicht, in welcher Todesgefahr sie seit einiger Zeit sich befand, sie erklärte sich diese Furcht als eine instinctive, grundlose, vielleicht durch das Vorgefühl eines bevorstehenden Bruches verursacht. Jetzt plötzlich hatte sie die Ueberzeugung, daß er, wenn er diesmal nicht zustieß, sie auf Nimmerwiederkehr fliehen würde. Er mußte also Jenen tödten; sollte es nöthig sein, so wollte sie ihm nach Kräften helfen. In diesem Augenblick fuhr ein Güterzug vorüber, dessen endlos langer Wagenschwanz garnicht aufhören wollte, das Zimmer zu erschüttern.Sie stützte sich auf einen Ellbogen und wartete, bis das orkanartige Dröhnen in der Ferne verhallt war.
    »Noch eine Viertelstunde,« sagte Jacques laut. »Er hat jetzt das Gehölz von Bécourt erreicht, also noch den halben Weg vor sich. O dauert das lange!«
    Als er vom Fenster zurückkehrte, sah er Séverine im Hemde vor dem Bett auf ihn warten.
    »Wir wollen mit der Lampe heruntergehen,« erklärte sie ihm. »Du kannst dann sehen, wohin Du Dich stellen willst und ich zeige Dir, wie ich die Thür öffnen werde und welche Bewegung Du ausführen mußt.«
    Er wich zitternd zurück.
    »Fort mit der Lampe!«
    »So höre doch, wir verbergen sie sofort. Man muß doch alles genau überlegen.«
    »Nein, nein, lege Dich wieder hin.«
    Diesmal gehorchte sie nicht, sie schritt mit dem überlegenen, despotischen Lächeln der sich durch ihr Verlangen allmächtig glaubenden Frau auf ihn zu. Wenn sie ihn erst in ihren Armen hielt, würde er auch thun, was sie wollte. Sie sprach schmeichelnd weiter, um ihn zu überzeugen.
    »Was ist Dir nur, mein Schatz? Man könnte meinen, Du hättest Furcht vor mir? Sobald ich Dir nahe komme, weichst Du zurück. Wenn Du wüßtest, wie nöthig Du mir in diesem Augenblicke bist, wie ich mich glücklich fühle, daß Du da bist und wir einig sind, für jetzt und für immer!«
    Sie hatte ihn gegen den Tisch gedrängt und er konnte nicht weiter fliehen. Der helle Schein der Lampe fiel jetzt auf sie. Noch nie hatte er sie so im offenen Hemde mit nach oben geknotetem Haar gesehen, so daß der Hals und die Brüste ihm nackt entgegenleuchteten. Er kämpfte mit sich und war schon wie betäubt von dem Blutstrom in seinem Gehirn und dem abscheulichen Schauder. Er erinnerte sich daran, daß hinter ihm das Messer auf dem Tisch lag: er fühlte es, er brauchte nur die Hand danach

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