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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ihm und den Anderen? Er hatte es sich schon in seiner Jugend dort unten in Plassans gefragt. Seine Mutter Gervaise erhielt ihn allerdings etwas zeitig, sie zählte damals erst fünfzehn und ein halbes Jahr, und er war noch dazu der zweite, denn Claude wurde ihr geboren, als sie knapp vierzehn alt war. Aber keiner seiner Brüder, weder Claude, noch der nach ihm geborene Etienne litt unter der Jugend seiner Mutter und seines knabenhaften Vaters, des schönen Lantier, dessen schlechtes Herz Gervaise so viele Thränen kosten sollte. Vielleicht litt auch ein jeder seiner Brüder an irgend einem Uebel und gestand es nur nicht ein. Der Aelteste namentlich, den es so heiß danach verlangte, ein Maler zu sein, daß man ihn und sein Genie für halb verrückt hielt. Mit seiner Familie war es entschieden nicht richtig, viele Mitglieder derselben hatten etwas weg. In gewissen Stunden fühlte er sehr wohl diesen erblichen Riß. Seine Gesundheit war keine schlechte, nur hatten ihn die Furcht und die Scham vor seinen Krisen etwas abmagern lassen. Aber von Zeit zu Zeit verlor er das Gleichgewicht seines Lebens und dann schien es, als zeigte sein Wesen Risse und Löcher, aus welchen sein eigenes Selbst inmitten einer dichten Rauchwolke entströmte, in welcher alles sich anders gestaltete. Er war dann nicht mehr Herr über sich, sondern gehorchte nur seinen Muskeln wie eine wüthende Bestie. Dabei trank er nicht, er versagte sich selbst das kleinste Glas Branntwein, denn er hatte bemerkt, daß der unbedeutendste Tropfen Alkohol ihn verrückt machte. Er kam schließlich zu der Ueberzeugung, daß er die Schuld der Anderen bezahlen müßte, der Väter und Großväter, die Trinker gewesen waren, der Generationen von Trunkenbolden, die sein Blut verdorben hatten. Was er fühlte, war eine schrittweise Vergiftung, eine Wildheit, die ihn mit dem im Dickicht lauernden Wolf, der auch Frauen frißt, auf eine Stufe stellte.
    Jacques hockte jetzt auf einem Knie und blickte hinüber zum schwarzen Schlunde des Tunnels, aber ein erneutes Schluchzen fuhr ihm durch die Nerven in den Nacken, er fiel rücklings zur Erde und wälzte sich, vor Schmerz aufschreiend, auf dem Boden umher. Dieses Mädchen, dieses Mädchen hatte er tödten wollen! Da kam es wieder, dieses spitzige, gräßliche Gefühl, als hätte er die Scheere sich selbst in die Brust gestoßen. Kein Vernunftgrund schaffte ihm Ruhe: er hatte sie tödten wollen, er würde sie tödten, wenn sie noch mit geöffnetem Kleide und entblößter Brust vor ihm läge. Er war gerade sechzehn Jahre alt, er erinnerte sich dessen ganz genau, da hatte ihn das Uebel zum ersten Male gepackt. Eines Abends hatte er mit einem um zwei Jahre jüngeren Mädchen, der Tochter eines Verwandten, gescherzt: sie war gefallen, er hatte ihre Beine gesehen und war über sie hergefallen. Er erinnerte sich, im folgenden Jahre ein Messer geschärft zu haben, um es einer anderen, einer Blondine, die täglich an seiner Thür vorüberging, in die Kehle zu stoßen. Der Hals dieses Mädchens war sehr fett und rosig, er hatte sich bereits den Platz ausgesucht, wo er das Messer ansetzen wollte, nämlich bei einem kleinen braunen Zeichen unter dem Ohre. Und das waren nicht die einzigen, deren Erinnerung ihm die Brust beengte, auf der Gasse hockende, zufällig zu Nachbarinnen gewordene Frauen, alle diese hatten die Mordlust in ihm entfacht; eine namentlich, eine jung verheirathete Frau, die im Theater neben ihm saß und außerordentlich laut lachte. Mitten in einem Act mußte er aufstehen, um sie nicht anzufallen. Alle diese kannte er kaum, warum also dieser Zorn auf sie? Jedesmal, wenn ihn diese blinde Wuth befiel, schien es ihm ein brennender Durst nach Rache für verjährte längst vergessene Beleidigungen zu sein. Das Unheil also, welches die Frauen seinem Geschlecht gebracht, ihre von Mann zu Mann gesteigerte Schlechtigkeit, hatte seinen Ursprung wirklich in so ferner Zeit, vielleicht gar begann es mit dem ersten im Dunkel der Höhlen begangenen Betrug? Aus seinem Anfalle heraus fühlte er die Nothwendigkeit, das Weib zu bekämpfen und zu bezwingen, es todt hinzustrecken wie eine Anderen für immer abgejagte Beute. Sein Schädel barst unter der Anstrengung des Denkens, er war zu unwissend, um sich die rechte Antwort zu geben. In dem Angstgefühl zu Thaten gedrängt zu werden, denen gegenüber seine Willenskraft gleich null war, und deren Grund er nicht einsehen konnte, stumpfte sich sein Gehirn ab.
    Abermals stürzte sich beim

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