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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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konnte er nicht anders. Nein, nein! Lieber wollte er die ganze Nacht im Freien zubringen, als dorthin zurückkehren! Mit einem Sprunge stand er auf den Beinen. Er entfloh.
    Und abermals jagte er wohl eine halbe Stunde über das düstre Gefilde, als wollte ihn die losgelassene Meute aller Schrecken der Hölle zu Tode Hetzen. Er jagte die Anhöhen hinauf, er kroch in enge Schluchten. Hinter einander stellten sich ihm zwei Bäche entgegen, er durchschritt sie, wobei er bis zu den Hüften versank. Ein ihm den Weg verlegendes Gebüsch brachte ihn zur Verzweiflung. Sein einziger Gedanke war, immer geradeaus und so weit als möglich zu laufen, um der wüthenden Bestie in seinem Innern zu entfliehen. Seit sieben Monaten schien sie ihm verjagt zu sein, und er hatte sich wieder Mensch gefühlt; und jetzt heulte sie von Neuem, abermals mußte er sie bekämpfen, um nicht von ihr auf die erste Frau, die ihm der Zufall in den Weg führen würde, gehetzt zu werden. Die große Stille, die mächtige Einsamkeit in der Runde beruhigten ihn indessen allmählich ein wenig und ließen ihn von einem stummen, einsiedlerischen Leben, ähnlich dieser Gegend, träumen, in welchem man auch abseits von den gebahnten Pfaden umherschweifen könnte, ohne einem menschlichen Wesen zu begegnen. Unbewußt war er im Kreise gegangen und im großen Bogen wieder an dem bebuschten Abhang des Eisenbahndammes, oberhalb des Tunnels gelangt. Er machte zornig kehrt, weil er fürchtete, auf Menschen zu stoßen. Um eine Anhöhe herum gedachte er den Weg abzuschneiden, verlief sich aber und stieß nun erst recht auf die Hecke längs der Geleise hart am Eingang zum Tunnel neben der Wiese, auf der er kurz zuvor sich in Schmerzen gekrümmt hatte. Da stand er nun besiegt, als ihn das noch ferne, von Sekunde zu Sekunde anschwellende, aus der Tiefe der Erde heraufschallende Dröhnen eines Zuges an diese Stelle bannte. Es war der Schnellzug nach Havre, der Paris um sechs Uhr dreißig Minuten verlassen hatte und hier um neun Uhr fünfundzwanzig Minuten vorüberkommen mußte; diesen Zug führte Jacques einen Tag um den andern.
    Er sah zunächst den dunklen Schlund sich erhellen, wie die Oeffnung eines Backofens, in welchem das Reisig entzündet wird. Das Geräusch näherte sich, plötzlich sprang die Lokomotive daraus hervor mit ihrem großen runden, blendenden Auge, deren Licht die Gegend zu durchdringen suchte und auf den Schienen weit voraus schon ein zweites Feuer zu entzünden schien. Aber das Ganze war eine blitzartige Erscheinung, denn vorüber flüchtete die Reihe von Waggons mit ihren grell beleuchteten Koupeefenstern, vorüber sausten die mit Reisenden gefüllten Koupee’s mit einer so schwindelerregenden Schnelligkeit, daß das Auge unmittelbar an den gesehenen Bildern zweifelte. Aber Jacques hatte in dieser Viertelsekunde dennoch durch die hellerleuchteten Scheiben eines Koupee’s gesehen, wie ein Mann einen zweiten auf den Sitz niedergedrückt hielt und ihm ein Messer in den Hals stieß, während eine schwarze Masse, vielleicht eine dritte Person, vielleicht heruntergestürztes Gepäck, mit ihrem ganzen Gewicht auf den krampfhaft angezogenen Beinen des Opfers lastete. Schon entfloh der Zug und verschwand in der Richtung von la Croix-de-Maufras, und man sah in der Dunkelheit nichts weiter mehr von ihm als die drei Schlußlaternen, das rothe Dreieck.
    Wie auf den Platz gebannt folgten die Blicke des jungen Mannes dem Zuge, dessen Brausen in dem großartigen Frieden des Todes, der auf der Gegend ruhte, erstarb. Hatte er wirklich richtig gesehen? Er zweifelte jetzt daran und wagte nicht mehr die ihm wie vom Blitze zugetragene und von ihm entführte Begebenheit als eine Thatsache zu behaupten. Kein einziger Gesichtszug der beiden Hauptacteure dieses Dramas stand ihm lebendig vor der Erinnerung. Die dunkle Masse war vielleicht eine über den Körper des Opfers gefallene Reisedecke. Und doch war es ihm, als hätte er unter einer aufgelösten Menge dichten Haares ein feines, bleiches Profil erkannt. Aber alles mischte sich in einander und verflog wie ein Traum. Noch einmal trat das vermeintliche Profil vor seine innern Blicke, dann verlor er es ganz und gar. Das Ganze war wahrscheinlich überhaupt nur eine Einbildung. Alles das aber machte sein Mark erstarren; er gab schließlich selbst zu, daß es eine Sinnestäuschung gewesen sein mochte, welche die schreckliche Krisis seines Zustandes heraufbeschworen hatte.
    Fast eine ganze Stunde noch trieb sich Jacques, den

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