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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ab.
    Um acht Uhr pflegte der Bahnhofsvorsteher, Herr Dabadie in’s Bureau zu kommen; der Unter-Inspector trat dann zum Rapport an. Jener war ein schöner, sehr gebräunter, gut conservirter Mann, der das Benehmen eines ganz seinen Geschäften sich widmenden Großkaufmanns hatte. Er interessirte sich auch herzlich wenig für den Personenverkehr; er widmete seine Aufmerksamkeit mit Vorliebe dem Treiben in den Hafenbassins, dem enormen Transitverkehr und stand in ständiger Verbindung mit dem Großhandel Havres und der ganzen Welt. An diesem Morgen hatte er sich verspätet. Roubaud hatte schon zweimal die Thür zum Bureau geöffnet, ihn aber noch nicht anwesend gefunden. Die Post lag noch uneröffnet auf dem Tische. Die Augen des Unter-Inspectors hatten ein Telegramm unter den Briefen entdeckt. Ein Zauber schien ihn an den Ort zu bannen, denn er wich nicht mehr von der Thür des Bureaus, er kam immer wieder gegen seinen Willen dorthin zurück und seine Blicke schweiften verstohlen zum Tische hinüber.
    Endlich, um acht und einviertel Uhr, erschien Herr Dabadie. Roubaud, der sich gesetzt hatte, schwieg, um Jenem Zeit zur Entfaltung der Depesche zu lassen. Doch der Chef hatte es nicht eilig, er wollte sich herablassend zeigen, denn er achtete seinen Untergebenen.
    »Nun, ist in Paris alles gut gegangen?«
    »Ja, Herr Vorsteher, ich danke für gütige Nachfrage.«
    Er hatte endlich die Depesche geöffnet, las aber nicht, sondern lächelte immer noch den Andern an, dessen Stimme durch die Anstrengung, ein nervöses Zucken am Kinn zu unterdrücken, einen rauhen Ton angenommen hatte.
    »Wir sind also in der glücklichen Lage, Sie hier zu behalten?« »Ich bin zufrieden, bei Ihnen bleiben zu können.« Endlich entschloß sich Herr Dabadie zur Lectüre der Depesche, Roubaud beobachtete ihn, er fühlte, daß ihm der Schweiß in’s Gesicht trat. Aber das erwartete Erstaunen zeigte sich nicht. Der Chef las das Telegramm gelassen zu Ende und warf es dann auf seinen Schreibtisch: wahrscheinlich enthielt es eine dienstliche Nachricht. Während er mit der Sichtung der Post fortfuhr, stattete Roubaud, wie üblich, seinen mündlichen Bericht über die Vorgänge in der Nacht und am frühen Morgen ab. An diesem Morgen jedoch floß ihm nicht der Bericht so glatt von den Lippen, er mußte sich erst auf die Diebe besinnen, die im Gepäckraum abgefaßt worden waren. Man wechselte noch einige Worte, dann verabschiedete er ihn mit einer Handbewegung, als seine beiden Assistenten, der eine von den Hafenbassins und der andere vom Güterverkehr, zum Rapport erschienen. Sie überbrachten eine zweite Depesche, die ihnen soeben ein Beamter draußen eingehändigt hatte.
    »Sie können gehen,« sagte Herr Dabadie laut, als er Roubaud an der Thür zögern sah. Doch dieser blieb und seine runden Augen spähten scharf hinüber. Er ging erst, als auch dieses Papier mit derselben gleichgiltigen Bewegung auf den Tisch geworfen worden war. Einen Augenblick stand er verwirrt und betroffen in der Halle. Der Zeiger wies auf acht Uhr fünfunddreißig Minuten, vor neun Uhr fünfzig Minuten ging kein Zug ab. Gewöhnlich benutzte er die freie Stunde zu einem Rundgang durch den Bahnhof. Er wanderte einige Minuten, ohne zu wissen, wohin ihn seine Füße trugen. Als er den Kopf erhob und den Waggon 293 erblickte, wandte er sich ab und ging zum Maschinenschuppen, obgleich es dort nichts zu besichtigen gab. Die Sonne stieg jetzt am Horizont empor und ein goldiger Staub erfüllte die Luft. Er hatte keine Freude mehr an dem schönen Morgen, er beschleunigte seinen Schritt und seine geschäftig aussehende Miene suchte vergeblich die Ungeduld der Erwartung zu verbergen.
    Ein Zuruf nöthigte ihn zum Stillstehen.
    »Guten Tag, Herr Roubaud … Haben Sie meine Frau gesehen?«
    Pecqueux war es, der Heizer, ein großer, magerer Bursche von dreiundvierzig Jahren mit kräftigen Knochen und von Feuer und Rauch geschwärztem Gesicht. Seine grauen Augen unter der niederen Stirn und sein breiter Mund mit stark hervorstehenden Backenknochen zeigten das ewige Grinsen des Trunkenboldes.
    »Wie, Ihr seid es?« sagte Roubaud erstaunt. »Ach so, ich erinnere mich. Ihr habt ja Pech mit der Lokomotive gehabt. –Ihr fahrt erst heute Abend? Eine angenehme Sache, so ein Urlaub von vierundzwanzig Stunden, was?
    »Sehr angenehme Sache,« echote der Andre, dessen Trunkenheit vom Abend vorher noch nicht gewichen war.
    Aus einem Dorfe bei Rouen gebürtig, war er schon in jugendlichem Alter als

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