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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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siebenmalhunderttausend Franken? Und diese Legate fielen Leuten zu, die man zum grüßten Theile garnicht kannte, namentlich Frauen aus allen Klassen! Ja, selbst eine unter einem Thorwege der Rue du Rocher gewöhnlich stehende kleine Veilchenverkäuferin befand sich unter ihnen. Ein solches Testament war unannehmbar, er wartete nur darauf, bis die kriminelle Untersuchung abgeschlossen, um zu sehen, ob dieses unmoralische Testament nicht umzustoßen wäre.
    Während er sich so mit fest aufeinander gepreßten Zähnen ereiferte und sich als den echten Trottel und querköpfigen, vor Geiz umkommenden Provinzialen hinstellte, beobachtete ihn Herr Denizet mit seinen großen, klaren, halb verdeckten Augen und sein seiner Mund drückte die eifersüchtige Verachtung dieses Menschen aus, dem zwei Millionen noch nicht genug waren und den er wahrscheinlich eines schönen Tages noch mit Hülfe seines vielen Geldes den Purpur des Höchsten würde tragen sehen. »Ich glaube, Sie würden Unrecht daran thun, mein Herr,« sagte er endlich. »Das Testament könnte nur angefochten werden, wenn die Totalziffer der Legate die Hälfte des Vermögens überschreiten würde. Das ist aber nicht der Fall.«
    Dann sich an seinen Schreiber wendend meinte er: »Laurent, Sie schreiben hoffentlich nicht meine persönlichen Ansichten nieder.«
    Mit einem schwachen Lächeln und der Miene eines erfahrenen Mannes beruhigte ihn sein Gehilfe.
    »Aber man bildet sich doch nicht etwa ein,« fing Herr von Lachesnaye von Neuem und noch spitziger an, »daß ich la Croix-de-Maufras diesen Roubaud lassen werde? Ein solches Geschenk macht man doch nicht der Tochter eines Bedienten! Und warum, unter welcher Bezeichnung? Wenn es erst bewiesen ist, daß sie unbetheiligt an dem Verbrechen …«
    »Sie glauben wirklich daran?«
    »Nun, wenn sie Kenntniß von dem Testament besaßen, ist auch ihr Interesse an dem frühzeitigen Tode meines Schwiegervaters erwiesen, denke ich … Bedenken Sie ferner, daß sie ihn zuletzt gesprochen haben … Mir scheint alles das sehr verdächtig.«
    Ungeduldig und wieder irre an seiner neuen Voraussetzung, wandte sich der Richter an Berthe.
    »Und Sie, gnädige Frau, halten Sie Ihre einstige Genossin eines solchen Verbrechens für fähig?«
    Sie blickte, ehe sie antwortete, auf ihren Gatten. Die Beiden angeborene Mißgunst und Engherzigkeit hatten sich in den wenigen Monaten ihrer Ehe noch mehr entwickelt und verdoppelt. Die Schlechtigkeit war Beiden gemeinsam. Er hatte sie auf Séverine gehetzt und ihr wäre es jetzt nicht darauf angekommen, diese in’s Gefängniß zu bringen, wenn sie dadurch das Landgut für sich hätte retten können.
    »Mein Gott,« sagte sie endlich, »die Person, von der Sie sprechen, hatte schon als Kind sehr schlechte Instinkte.«
    »Und in wiefern? Hat sie sich in Doinville schlecht aufgeführt?«
    »O nein, sonst würde mein Vater sie aus dem Hause gejagt haben.«
    In diesem Ausruf lag die ganze Empörung einer ehrbaren Bürgersfrau die sich keinen Fehltritt Zeit ihres Lebens hatte zu Schulden kommen lassen und die ihren Ruhm darin suchte, eine unanfechtbar, von Jedermann gegrüßte und empfangene Tugendheldin von Rouen zu sein.
    »Sie hatte schlechte Eigenschaften,« fuhr sie fort, »vor allem Leichtsinn und Verschwendungssucht … Viele Dinge, die ich damals nimmermehr geglaubt haben würde, scheinen mir heute selbstverständlich.«
    Abermals zeigte Herr Denizet etwas Ungeduld. Diese Fährte hatte er schon längst fallen gelassen, wer sie noch verfolgte, war sein Gegner und schien die Unfehlbarkeit seiner Intelligenz anzuzweifeln.
    »Nun, das muß alles erst noch bewiesen werden,« sagte er. »Leute wie die Roubaud tödten nicht einen Mann wie Ihren Herrn Vater, um schneller erben zu können. Ihre Hast könnte sich nur aus der Freude am Besitz und am Leben erklären; ist diese vorhanden, werde ich ihr auch auf die Spur kommen. Nein, das Mobilium ist kein ausreichender Beweis, ein andrer muß noch beigebracht werden, den aber giebt es nicht. Sie selbst könnten ihn nicht finden … Denn, wenn Sie sich die Thatsachen vergegenwärtigen, müssen Sie nicht materielle Unmöglichkeiten konstatiren? Kein Mensch hat die Roubaud in das Koupee des Herrn Präsidenten steigen gesehen, ein Beamter behauptet sogar, daß sie ihr eigenes wieder bestiegen hätten. Und da man sie in Barentin noch in diesem eigenen Koupee gesehen und gesprochen hat, so müßten sie gerade ihren Waggon mit dem des Präsidenten, die drei andere

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