Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi

Vom Netzwerk:

angesehensten Ärzte von ganz Florenz, der unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern festgenommen worden war – die Ermittler hatten sein Foto mit hineingenommen, weil sie glaubten, die Teufelssekte sei auch pädophil. Er erkannte einen geachteten Dermatologen und einen bekannten Gynäkologen aus San Casciano, die ebenfalls in Verdacht geraten waren, Mitglieder des Geheimbunds zu sein. Er erkannte Carlo Santangelo, den vorgeblichen Gerichtsmediziner, der gern nachts auf Friedhöfen spazieren ging. Er erkannte eine junge afro-amerikanische Friseurin, die einige Jahre zuvor in Florenz an AIDS verstorben war.
    Vor allem aber erkannte er den Apotheker von San Casciano, Francesco Calamandrei.
    Pucci war nicht knauserig, was Einzelheiten anging. »Ich habe alle diese Leute zusammen in San Casciano gesehen, in der Bar Centrale unter der Uhr. Ich kann nicht sagen, ob ich sie jedes Mal zusammen gesehen habe, weil ich sie manchmal auch allein gesehen habe, aber jedenfalls haben diese Leute sich oft getroffen.«
    Lorenzo Nesi, der Serienzeuge, erkannte alle diese Leute ebenfalls und setzte noch eins drauf. Er hatte mit dieser bunt gemischten Truppe keinen anderen als Fürst Roberto Corsini herumsitzen sehen, den von einem Wilderer getöteten Adligen; wie bei Narducci, so hatte es auch bei ihm Gerüchte gegeben, er sei die Bestie.
    Gamma, die Prostituierte Ghiribelli, erzählte eine andere Geschichte, die sich um die Villa Sfacciata drehte, ganz in der Nähe meines Hauses in Giogoli. Sie lag außerdem an der Straße direkt gegenüber der Stelle, wo die beiden deutschen Touristen ermordet worden waren.
    »Neunzehnhunderteinundachtzig«, so lautete ihre offizielle Aussage bei der Polizei, »war da ein Arzt, der in der Villa Experimente zur Mumifikation gemacht hat … Lotti hat auch oft über dieses Haus gesprochen, und immer in den Achtzigern, als wir dorthin gingen. Er hat mir nicht gesagt, wo genau, aber er hat mir erzählt, dass im Inneren ganze Wände von Bildern bedeckt sind wie denen, die Pacciani gemalt hat. Lotti hat immer gesagt, die Villa hätte ein unterirdisches Labor, in dem der Schweizer Arzt seine Mumifikations-Experimente gemacht hat. Ich will das noch einmal besser erklären: Lotti hat gesagt, dass der Schweizer Arzt auf seinen Reisen nach Ägypten an eine alte Schriftrolle gelangt ist, in der erläutert wurde, wie man Leichen mumifiziert. Er hat gesagt, an dem Papyrus fehlte ein Stück, das mit der Mumifikation der Weichteile zu tun hatte, und ich meine, dazu gehören die Geschlechtsorgane und die Brüste. Er hat mir erzählt, dass die Frauen bei den Morden der Bestie von Florenz deswegen verstümmelt wurden. Er hat mir erklärt, dass die Tochter dieses Arztes neunzehnhunderteinundachtzig ermordet und ihr Tod verheimlicht wurde. Der Vater musste sogar zurück in die Schweiz reisen, um ihre Abwesenheit zu erklären. Es war für den Mumifikationsprozess notwendig, dass er den Leichnam seiner Tochter in diesem unterirdischen Labor behielt.«
    Vielleicht eingedenk des peinlichen Vorfalls mit den Plastik-Fledermäusen und Papp-Skeletten beschlossen die Ermittler, die Villa Sfacciata nicht nach Pacciani-Fresken, einem unterirdischen Labor und der mumifizierten Tochter zu durchsuchen.

Kapitel 40
    »Dietrologia« , sagte Graf Niccolò. »Das ist der einzige italienische Begriff, den Sie kennen müssen, um die Ermittlungen im Fall der Bestie von Florenz zu verstehen.«
    Wir saßen bei unserem üblichen Mittagessen im Il Bordino. Ich aß baccalà , Stockfisch, während der Graf sich arista schmecken ließ, gefüllten Schweinebraten.
    »Dietrologia?«, fragte ich.
    » Dietro – hinter. Logia – die Lehre von.« Der Graf sprach mit volltönender Stimme, als stehe er noch im Hörsaal, und sein vornehmer englischer Akzent hallte in dem höhlenartigen kleinen Restaurant wider. » Dietrologia ist die Vorstellung, dass das Offensichtliche nicht wahr sein kann. Es versteckt sich immer etwas dahinter, dietro . Was die Amerikaner als Verschwörungstheorie bezeichnen, trifft es nicht ganz. Denn dazu gehört eine Theorie , etwas Ungewisses, eine bloße Möglichkeit. Der Dietrologe hingegen braucht Fakten. So ist es in Wirklichkeit . Neben dem Fußball ist die dietrologia der zweite Nationalsport in Italien. Jeder weiß ganz genau, was da wirklich vor sich geht, selbst wenn … wie sagt ihr Amerikaner noch gleich? … selbst wenn er keinen Schimmer hat.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil die Leute sich dann wichtig