Die Bestie von Florenz
»Angeblich habe ich die Waffe der Bestie bei der Villa deponiert, um einen Unschuldigen zu belasten. Woher sollte ich denn die Waffe der Bestie haben, wenn ich nicht die Bestie bin? « Die Asche hing in einem langen Bogen von der Spitze seiner Zigarette. »Wo ist der verdammte Aschenbecher?«
Ich holte Spezi und mir einen Teller aus der Küche. Spezi drückte seine halb gerauchte Zigarette energisch darauf aus und zündete sich eine neue an. »Ich kann dir sagen, wie Mignini auf solche Ideen kommt. Diese verfluchte Frau aus Rom, Gabriella Carlizzi, die behauptet hat, dieser Kult der Roten Rose stecke hinter den Terrorangriffen vom elften September – hast du ihre Website mal gelesen? Der Oberstaatsanwalt von Perugia hört auf diese Frau!«
Spezi hatte eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht, vom Bestiologen zur Bestie selbst.
Ich verließ Italien schon am nächsten Morgen. Als ich unser Haus in Maine erreichte, das auf einer Anhöhe über dem grauen Atlantik steht, und dem rhythmischen Brausen der Wellen auf den Felsen unter mir und den kreisenden Möwen über mir lauschte, war ich froh, frei zu sein. Ich war so glücklich darüber, nicht in irgendeinem italienischen Gefängnis zu verrotten, dass mir Tränen über die Wangen liefen.
Graf Niccolò rief mich am Tag nach meiner Rückkehr an. »Also, Douglas, wie ich sehe, hast du in Italien für Wirbel gesorgt! Tolle Show!«
»Woher weißt du das?«
»Heute Morgen steht in allen Zeitungen, dass du jetzt offiziell als Verdächtiger im Fall der Bestie von Florenz giltst.«
»Das steht in der Zeitung?«
»Ja, überall.« Er lachte leise. »Mach dir keine Sorgen.«
»Niccolò, um Himmels willen, die haben mir Beihilfe zum Mord vorgeworfen, sie haben behauptet, ich hätte eine Waffe bei der Villa versteckt, und sie beschuldigen mich der Falschaussage und Behinderung der Justiz! Sie haben mir gedroht, mich anzuklagen, falls ich je nach Italien zurückkehren sollte. Und du sagst mir, ich soll mir keine Sorgen machen?«
»Mein lieber Douglas, jeder, der in Italien etwas gilt, ist indagato . Ich gratuliere dir – jetzt bist du ein echter Italiener.« Seine Stimme verlor die zynische Belustigung und wurde ernst. »Sorgen sollte sich unser gemeinsamer Freund Spezi machen. Große Sorgen.«
Kapitel 48
Ich telefonierte mit der Presse, sobald ich wieder zu Hause war. Ich hatte entsetzliche Angst um Mario; offensichtlich war er das eigentliche Ziel der Ermittler. Ich hoffte, wenn es mir gelang, in Amerika genug Staub aufzuwirbeln, könnte das Spezi ein wenig Schutz gegen eine willkürliche, unsinnige Verhaftung bieten.
Als Spezis Haus durchsucht worden war, hatte die amerikanische Presse sich keinen feuchten Dreck um einen italienischen Journalisten geschert, dem man ein paar Unterlagen weggenommen hatte. Aber jetzt, da ein Amerikaner ins Kreuzfeuer geraten war, griffen die Medien die Sache auf. »Gefangen in seinem eigenen Thriller«, titelte der Boston Globe . »In Douglas Prestons Leben lief alles gut, während er an seinem jüngsten Buch arbeitete. Dann geriet er selbst in die Geschichte hinein.« Die Washington Post brachte einen Artikel mit der Überschrift: »Bestsellerautor Douglas Preston in Ermittlung gegen Serienmörder verwickelt.« Die Presseagentur AP verfolgte die Story, und CNN und ABC brachten in ihren Nachrichten etwas darüber.
In Italien erregte meine Vernehmung ebenfalls großes Medieninteresse. Der Corriere della Sera brachte die Schlagzeile:
DIE BESTIE:
DUELL ZWISCHEN STAATSANWALT UND AMERIKANISCHEM AUTOR
Serienmorde von Florenz. Thriller-Autor wird Schweigen zum Verhängnis – Anklage! Seine Kollegen machen mobil.
Ein Bericht lief über die ANSA, die italienische Nachrichtenagentur: »Die Staatsanwaltschaft Perugia befragte den amerikanischen Schriftsteller Douglas Preston als bedeutenden Zeugen und beschuldigte ihn dann der Aussageverweigerung. Preston und Mario Spezi haben ein Buch über den Fall geschrieben, das im April erscheinen soll – Dolci Colline di Sangue , Spezi zufolge eine Art Gegenermittlung zur offiziellen Version. Vor zwei Jahren wurde gegen Spezi als mutmaßlichen Mitwisser des Mordes an Narducci ermittelt, später warf man ihm Mittäterschaft vor.« Andere Artikel enthielten Informationen, die anscheinend aus Migninis Behörde durchgesickert waren, denn darin wurde behauptet, Spezi und ich hätten versucht, die berüchtigte 22er Beretta bei der Villa zu verstecken, um einen unschuldigen Mann in Verruf zu bringen.
Doch
Weitere Kostenlose Bücher