Die Bestie von Florenz
das helle Licht der Presseberichte und öffentlichen Aufmerksamkeit schien Giuttari und Mignini nur noch aggressiver zu machen. Am 25. Februar, zwei Tage nach meiner Abreise aus Italien, durchforstete die Polizei erneut Spezis Wohnung. Er wurde ab sofort intensiv überwacht, verfolgt, sobald er das Haus verließ, und heimlich gefilmt. Die Polizei hörte sein Telefon ab, und er vermutete, dass auch in seiner Wohnung Wanzen angebracht waren und seine E-Mails abgefangen wurden.
Spezi und ich arrangierten unsere Kommunikation über diverse E-Mail-Adressen und geliehene Telefone. Spezi schaffte es, mir eine E-Mail aus einem Internet-Café zu schicken, nachdem er seinen Verfolger abgeschüttelt hatte. Darin schlug er mir ein bestimmtes System vor: Wenn er mir eine E-Mail von seinem normalen Account aus schickte, in der stand »salutami a Christine« (»Liebe Grüße an Christine«), bedeutete das, ich solle ihn am nächsten Tag um eine bestimmte Zeit unter einer geliehenen Handynummer anrufen.
Niccolò schickte mir regelmäßig Zeitungsausschnitte über den Fall, und wir telefonierten öfter miteinander.
Am 1. März kam Spezi endlich dazu, sein Auto zu einer Werkstatt in der Nachbarschaft zu bringen, um die aufgebrochene Tür reparieren und ein neues Radio einbauen zu lassen. Der Mechaniker tauchte mit einer Faust voll hochmoderner Elektronik aus dem Auto auf, an der rote und schwarze Kabel baumelten. Bei dem Gerät handelte es sich um ein schwarzes Kästchen von der Größe einer Zigarettenschachtel mit abgeklebten LCD-Lämpchen neben »On« und »Off«. Es war über Kabel verbunden mit einem zweiten geheimnisvollen Apparat, fünf mal zwölf Zentimeter groß, der an die Stromversorgung des gestohlenen Radios angeschlossen gewesen war.
»Ich kenne mich da ja nicht so aus«, sagte der Mechaniker, »aber das sieht für mich ganz nach einem Mikrofon mit Recorder aus.«
Er ging um den Wagen herum und öffnete die Motorhaube. »Und das da«, sagte er und deutete auf eine weitere schwarze Zigarettenschachtel in einer Ecke, »muss der GPS-Sender sein.«
Spezi rief La Nazione an, und die Zeitung schickte einen Fotografen. Der lichtete den Journalisten ab, wie er die Abhörelektronik wie eine Angeltrophäe mit beiden Händen hochhielt.
Noch am selben Tag ging Spezi zur Staatsanwaltschaft in Florenz und erstattete Anzeige gegen unbekannt wegen des Schadens an seinem Auto. Mit der Anzeige in der Hand suchte er einen der Staatsanwälte auf, einen Mann, den er kannte. Der wollte nichts damit zu tun haben. »Diese Angelegenheit, Dr. Spezi, ist viel zu heikel«, sagte er. »Bringen Sie sie besser persönlich beim Oberstaatsanwalt vor.« Also marschierte Spezi damit zum Büro des Oberstaatsanwalts, wo er warten musste. Dann kam ein Polizist, nahm ihm die Anzeige ab und erklärte, der Oberstaatsanwalt nehme sie an. Spezi hörte nie wieder etwas davon.
Am 15. März 2006 erhielt Spezi einen Anruf von der örtlichen Carabinieri-Wache. Man bat ihn, dort vorbeizukommen. Ein Offizier, der seltsam verlegen wirkte, empfing ihn in einem winzigen Büro. »Wir wollen Ihnen Ihr Autoradio zurückgeben«, erklärte der Mann.
Spezi war fassungslos. »Sie … Sie geben also zu, dass Sie es gestohlen und dabei mein Auto schwer beschädigt haben?«
»Nein, wir nicht!« Er fingerte nervös an den Unterlagen herum. »Uns wurde nur aufgetragen, es zurückzugeben. Die Staatsanwaltschaft in Perugia, genauer Staatsanwalt Mignini, hat Hauptkommissar Giuttari von der GIDES befohlen, Ihr Radio zurückzugeben.«
Spezi hatte Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. »Das ist ungeheuerlich! Wollen Sie damit sagen, die hätten in einem offiziellen Dokument festgehalten, dass sie mein Auto kaputt gemacht haben, um mein Radio zu stehlen?«
Der Carabiniere wand sich. »Unterschreiben Sie hier, bitte.«
»Aber«, wandte Spezi triumphierend ein, »was, wenn sie auch das Radio kaputt gemacht haben? Ich kann es unmöglich zurücknehmen, ohne das genau zu wissen!«
»Spezi, würden Sie bitte einfach hier unterschreiben?«
Spezi erstattete sofort eine neue Anzeige wegen Sachbeschädigung, diesmal gegen Mignini und Giuttari, die ihm (unerklärlicherweise) genau den Beweis geliefert hatten, den er dazu gebraucht hatte.
Im selben Monat, März 2006, erschien Giuttaris neues Buch über die Bestie von Florenz. Das Monster von Florenz: Anatomie einer Ermittlung wurde ein Bestseller. In dem Buch wetterte Giuttari gleich mehrmals gegen Spezi, warf ihm Mittäterschaft bei
Weitere Kostenlose Bücher