Die Bestie von Florenz
auf!)
»Glaubst du wirklich, dass dein Telefon abgehört wird?«, fragte ich.
»Pah! Das hier ist Italien. Wahrscheinlich hören sie sogar den Papst ab.«
Bei Spezi zu Hause ging niemand ans Telefon. Ich suchte online nach Neuigkeiten. Die Story kam gerade erst bei der ANSA und bei Reuters raus:
BESTIE VON FLORENZ:
JOURNALIST SPEZI WEGEN STRAFVEREITELUNG VERHAFTET
Unser Buch sollte in zwölf Tagen erscheinen. Mich packte die Angst, dass dies nur ein erster Schritt sein könnte, um die Veröffentlichung zu verhindern, oder dass unser Verlag kalte Füße bekommen und das Buch zurückziehen würde. Ich rief unsere Lektorin bei Sonzogno an. Sie war bereits in einer Konferenz wegen dieser Sache und deshalb nicht zu sprechen, aber später erreichte ich sie. Sie war völlig verunsichert von Spezis Verhaftung – es kommt nicht allzu oft vor, dass der eine Bestsellerautor des Verlags den anderen verhaften lässt. Und sie war wütend auf mich und Spezi. Ihrer Meinung nach hatte Spezi durch einen »persönlichen« Rachefeldzug gegen Giuttari den Hauptkommissar unnötig provoziert und RCS Libri damit möglicherweise in eine hässliche juristische Auseinandersetzung mit hineingezogen. Ich wies ziemlich hitzig darauf hin, dass Spezi und ich nur unserer völlig legitimen Aufgabe nachgekommen waren, als Journalisten die Wahrheit aufzudecken, und dass wir weder irgendwelche Gesetze gebrochen noch uns unethisch verhalten hatten. Zu meiner Überraschung schien sie letztere Behauptung mit großer Skepsis aufzunehmen. Diese Haltung, das würde ich noch feststellen, war unter Italienern nur allzu verbreitet.
Zumindest war das Ergebnis der Konferenz ermutigend. RCS Libri hatte beschlossen, unser Buch wie geplant erscheinen zu lassen. Mehr noch, der Verlag würde den Erscheinungstermin um eine Woche vorziehen, um es rasch in die Buchhandlungen zu bekommen. Deshalb hatte RCS seine Lager angewiesen, das Buch so schnell wie möglich auszuliefern. Und wenn die Bücher erst einmal ausgeliefert waren, würde es der Polizei sehr viel schwerer fallen, die Ausgabe zu beschlagnahmen, denn dann wäre sie über Tausende von Buchhandlungen in ganz Italien verteilt.
Endlich erreichte ich Myriam Spezi. Sie hielt sich tapfer, war aber sehr angeschlagen. »Sie haben ihn mit einem Trick dazu gebracht, ans Tor zu kommen«, erzählte sie. »Er hatte nur Hausschuhe an und nichts dabei, nicht einmal seine Brieftasche. Sie haben sich geweigert, ihm den Haftbefehl zu zeigen. Sie haben ihn bedroht, ihn gezwungen, in ein Auto einzusteigen, und ihn weggebracht.« Sie fuhren ihn erst ins Hauptquartier der GIDES im Il Magnifico, vernahmen ihn dort und schafften ihn dann mit Blaulicht und Martinshorn ins grimmige Capanne-Gefängnis bei Perugia.
Die Geschichte kam in den italienischen Abendnachrichten. Während Fotos von Spezi, der Bestie, den Mordschauplätzen, den Opfern und Bilder von Giuttari und Mignini eingeblendet wurden, verkündete der Nachrichtensprecher: »Mario Spezi, der Schriftsteller und Journalist, der seit langem immer wieder über den Fall der Bestie berichtet, wurde gemeinsam mit dem ehemaligen Häftling Luigi Ruocco verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, die Ermittlungen im Mordfall Narducci behindert zu haben, um die Rolle des Arztes bei den Morden der Bestie von Florenz zu vertuschen. Der Oberstaatsanwalt von Perugia geht davon aus, dass die beiden Männer versuchten, auf dem Gelände der Villa Bibbiani in Capraia gefälschte Beweise zu plazieren. Dadurch wollten sie die Polizei dazu zwingen, die Ermittlung der Sardinien-Spur wieder aufzunehmen, die in den neunziger Jahren offiziell eingestellt worden war. Als Motiv nannte die Staatsanwaltschaft ein Ablenkungsmanöver von den Ermittlungen, die Mario Spezi und den Apotheker von San Casciano, Francesco Calamandrei, mit dem Mord an Francesco Narducci in Zusammenhang bringen.«
Und dann erschien eine Filmaufnahme von mir, wie ich nach der Vernehmung gerade Migninis Büro verließ.
»Wegen desselben mutmaßlichen Verbrechens«, fuhr der Nachrichtensprecher fort, »wird gegen zwei weitere Personen ermittelt, einen ehemaligen Kriminalkommissar sowie den amerikanischen Schriftsteller Douglas Preston, der jüngst gemeinsam mit Mario Spezi ein Buch über die Bestie von Florenz geschrieben hat.«
Unter den vielen Anrufen, die ich daraufhin erhielt, war auch einer vom US-Außenministerium. Eine freundliche Dame informierte mich darüber, dass die amerikanische Botschaft in Rom bei der Staatsanwaltschaft in
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