Die Bestie von Florenz
Perugia Erkundigungen über meinen Status eingeholt hatte. Die Botschaft konnte hiermit bestätigen, dass ich tatsächlich indagato war – also eine Person, die offiziell verdächtigt wird, ein Verbrechen begangen zu haben.
»Haben Sie die auch gefragt, welche Beweise gegen mich vorliegen?«
»Wir befassen uns nicht mit den Einzelheiten solcher Fälle. Wir können nur Ihren Status abklären.«
»Mein Status war mir bereits klar, herzlichen Dank – er steht in jeder italienischen Zeitung!«
Die Frau räusperte sich und fragte, ob ich in Italien schon einen Rechtsanwalt beauftragt hätte.
»Anwälte kosten Geld«, brummte ich.
»Mr. Preston«, erklärte sie geduldig, »das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Das Problem wird sich nicht in Luft auflösen. Es wird nur noch schlimmer werden, und selbst mit der Unterstützung eines Anwalts könnte sich die Sache noch Jahre hinziehen. Sie dürfen das nicht vor sich hin schwelen lassen. Sie müssen das Geld für einen Anwalt ausgeben. Ich lasse Ihnen von unserer Botschaft in Rom deren Liste zufaxen. Bedauerlicherweise können wir keine Empfehlung aussprechen, weil …«
»Ich weiß«, unterbrach ich sie. »Es ist nicht Ihre Aufgabe, italienische Anwälte zu beurteilen.«
Am Ende des Gesprächs fragte sie vorsichtig: »Sie haben nicht zufällig vor, in nächster Zeit nach Italien zurückzukehren?«
»Machen Sie Witze?«
»Ich bin sehr froh, dass Sie das sagen.« Die Erleichterung war ihrer Stimme deutlich anzuhören. »Wir würden uns wirklich ungern mit dem, äh, Problem Ihrer Verhaftung befassen.«
Die Liste kam. Darauf standen vor allem Anwälte, die sich mit Sorgerechtsstreitigkeiten, Immobilien und Vertragsrecht befassten. Nur einige wenige übernahmen Strafsachen.
Ich wählte zufällig einen Verteidiger aus und rief ihn in Rom an. Er hatte die Zeitungsberichte verfolgt und kannte den Fall bereits. Er freute sich sehr, von mir zu hören. Ich hätte genau den Richtigen angerufen. Er würde die Arbeit an seinen wichtigen Fällen unterbrechen, um den Fall anzunehmen, und als Partner einen der herausragendsten Anwälte in ganz Italien gewinnen, dessen Name der Staatsanwaltschaft in Perugia ganz sicher bekannt sei und der einen hervorragenden Ruf genieße. Allein durch die Tatsache, dass ich einen so wichtigen Mann beauftragte, würde der Fall bereits halb geklärt sein – so lief das nun einmal in Italien. Indem ich ihn engagierte, zeigte ich der Staatsanwaltschaft, dass ich ein uomo serio war, ein Mann, mit dem man nicht leichtfertig umspringen konnte. Als ich mich etwas schüchtern nach seinem Honorar erkundigte, sagte er, dass bloß fünfundzwanzigtausend Euro als Vorschuss fällig würden, um den Ball ins Rollen zu bringen – und dieses bescheidene, geringe Honorar (praktisch umsonst!) sei nur dank der öffentlichen Aufmerksamkeit des Falls möglich und wegen dessen Bedeutung für die Pressefreiheit. Er würde mir gern die Bankverbindung mailen, aber ich müsse mich unbedingt noch heute entscheiden, denn der Terminkalender dieses wichtigsten-Anwalts-von-ganz-Italien fülle sich praktisch von Minute zu Minute …
Ich rief den nächsten Anwalt auf der Liste an und den übernächsten. Schließlich fand ich eine Anwältin, die meinen Fall für etwa sechstausend Euro übernehmen würde und sich tatsächlich wie eine Anwältin anhörte und nicht wie ein Gebrauchtwagenhändler.
Später erfuhren wir, dass die GIDES vor Marios Verhaftung die Villa Bibbiani nach der Waffe, den Objekten oder Dokumenten, die wir dort plaziert haben sollten, durchsucht hatte. Sie fanden nichts. Für den ungemein einfallsreichen Giuttari stellte auch das kein Problem dar. Er hatte so rasch eingegriffen, behauptete er, dass wir keine Zeit mehr gehabt hatten, unseren ruchlosen Plan in die Tat umzusetzen – er hatte ihn wirkungsvoll vereitelt.
Kapitel 51
Am 7. April, dem Tag seiner Verhaftung, landete Spezi schließlich im Capanne-Gefängnis zwanzig Kilometer außerhalb von Perugia. Er wurde hastig in einen Raum gebracht, in dem es nur eine Decke auf dem blanken Betonboden gab, einen Tisch, einen Stuhl und einen Pappkarton.
Die Wärter befahlen ihm, die Taschen zu leeren. Spezi tat es. Sie befahlen ihm, die Uhr abzulegen und das Kruzifix, das er um den Hals trug. Dann schrie ihn einer der Männer an, er solle sich ausziehen.
Spezi zog Pullover, Hemd, Unterhemd und Schuhe aus. Und wartete.
»Alles. Wenn Sie kalte Füße haben, stellen Sie sich auf die Decke.«
Spezi zog sich
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