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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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dem steht, dass dieses Gemälde, das Sie Pacciani zuschreiben, gar nicht er gemalt hat, sondern ein chilenischer Künstler. Möchten Sie das kommentieren?«
    Der Artikel brachte die Staatsanwaltschaft in große Verlegenheit. Vigna, der leitende Staatsanwalt, versuchte, die Rolle des Bildes herunterzuspielen. »Nur die Massenmedien haben ihm eine solche Bedeutung beigemessen«, behauptete er. Ein weiterer Staatsanwalt, Paolo Canessa, wollte den Schaden begrenzen, indem er erklärte: »Pacciani hat das Gemälde signiert und einigen Freunden erzählt, es entstamme einem seiner eigenen Träume.«
    Der Prozess zog sich über sechs Monate hin. Aus einer Ecke des Gerichtssaals waren Kameras und Objektive auf Pacciani und die Zeugen gerichtet. Die Bilder wurden auf eine Leinwand links vom Richtertisch projiziert, so dass auch die Zuschauer auf den schlechtesten Plätzen das Drama gut verfolgen konnten. Jeden Abend wurden die Höhepunkte des Tages im Fernsehen zusammengefasst, mit enormen Einschaltquoten. Alle versammelten sich zur Abendessenszeit um den Fernseher und sahen sich die neueste Folge des Dramas an, das jede Soap übertraf.
    Der Höhepunkt kam, als Paccianis Töchter in den Zeugenstand gerufen wurden. Die gesamte Toskana wartete vor dem Fernseher gespannt auf ihre Aussagen.
    Die Florentiner haben den Anblick der beiden Töchter (von denen eine eben in ein Kloster eingetreten war) bis heute nicht vergessen. Die Frauen weinten, während sie in allen qualvollen Einzelheiten schilderten, wie sie von ihrem Vater vergewaltigt worden waren. Vor aller Augen wurde ein Bild des toskanischen Landlebens gezeichnet, das nicht viel mit Unter der Sonne der Toskana gemein hatte. Ihre Zeugenaussagen porträtierten eine Familie, in der die Frauen beleidigt, von einem Betrunkenen geschlagen, mit einem Stock verprügelt, sexuell brutal missbraucht und vergewaltigt wurden.
    »Er wollte keine Töchter«, erzählte eine der Töchter weinend. »Mama hatte eine Fehlgeburt, und er wusste, dass es ein Junge geworden wäre. Er hat zu uns gesagt: ›Ihr beide hättet sterben und er leben sollen.‹ Einmal hat er uns gezwungen, das Fleisch eines Murmeltiers zu essen, das er wegen des Fells erlegt hatte. Er hat uns geschlagen, wenn wir nicht mit ihm ins Bett gehen wollten.«
    Nichts von alledem hatte irgendetwas mit der Bestie von Florenz zu tun. Als sich die Befragung diesem Thema zuwandte, konnten sich die beiden Töchter an keine einzige belastende Tatsache erinnern – den Anblick einer Waffe, Blutflecken, ein unbedachtes Wort, das ihrem Vater während seiner abendlichen Saufgelage entschlüpft wäre –, die ihn mit den Doppelmorden der Bestie von Florenz in Verbindung gebracht hätte.
    Die Anklage führte ihre mageren Beweisstücke ins Feld. Die Patrone und der Lappen wurden präsentiert. Eine Seifenschale aus Plastik, ebenfalls in Paccianis Haus gefunden, wurde vorgelegt. (Die Mutter eines Opfers sagte aus, die Schale sehe aus wie eine, die ihrem Sohn gehörte.) Ein vergrößertes Foto von Botticellis Nymphe wurde im Gerichtssaal aufgestellt, daneben ein Foto des weiblichen Opfers mit der Goldkette im Mund. Ein Skizzenblock aus deutscher Herstellung, ebenfalls aus Paccianis Haus, wurde als Beweis vorgelegt, und Verwandte sagten aus, das deutsche Pärchen könnte einen solchen Block besessen haben. Pacciani behauptete, er habe ihn Jahre vor dem Mord in einer Mülltonne gefunden, und Notizen, die Pacciani darin festgehalten hatte, waren eindeutig vor dem fraglichen Mord entstanden. Die Staatsanwaltschaft erklärte, der schlaue Bauer habe die Notizen später eingetragen, um den Verdacht von sich abzulenken. (Spezi wies in einem Artikel darauf hin, dass es für Pacciani wesentlich einfacher gewesen wäre, den belastenden Skizzenblock einfach im Kamin zu verbrennen.)
    Unter den Zeugen waren Paccianis alte Freunde aus der Casa del Popolo, dem von den Kommunisten erbauten »Volkshaus« oder Versammlungsort des Arbeitervereins in San Casciano. Seine Freunde waren zum Großteil Landeier, ungebildet, ruiniert von schlechtem Wein und Hurerei. Unter ihnen war auch ein Mann namens Mario Vanni, der dümmliche ehemalige Postbote von San Casciano, von seinen Mitbürgern Torsolo, »Kerngehäuse«, genannt – mit anderen Worten der Teil des Apfels, der nichts taugt und weggeworfen wird.
    Im Gerichtssaal wirkte Vanni verwirrt und starr vor Angst. Auf die erste Frage (»Welchen Beruf üben Sie derzeit aus?«) gab er keine Antwort, sondern begann sofort mit

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