Die Bestie von Florenz
Sekundarschule bzw. deren Äquivalent im italienischen Schulsystem abgeschlossen. Er hat Erfahrung in handwerklichen Tätigkeiten.«
Weiter hinten stand: »Der Angreifer hat während der Jahre, in denen die Verbrechen geschahen, allein in einem Arbeiterviertel gelebt.« Und er musste ein eigenes Auto besessen haben.
Doch der interessanteste Teil, bis heute, ist die Art, wie die Verbrechen begangen wurden – das FBI nennt das die »Signatur« eines Täters. »Besitzergreifung und Ritual sind für diese Art Angreifer sehr wichtig. Das erklärt, weshalb die weiblichen Opfer meist einige Meter von dem Fahrzeug mit dem Leichnam ihres Begleiters entfernt wurden. Der Drang, das Opfer ganz zu besitzen , ausgelebt durch ein Ritual, welches der Angreifer durchführte, bezeugt seine Wut auf Frauen im Allgemeinen. Die Verstümmelung der Sexualorgane seiner Opfer stand entweder für die Unzulänglichkeit des Angreifers oder für seinen Frauenhass.«
Dem FBI-Dossier zufolge versuchte dieser Typ Serienmörder oft, die Ermittlungen durch direkten oder informellen Kontakt mit der Polizei zu beeinflussen. Er trat als Informant an sie heran, schickte anonyme Briefe oder kontaktierte die Presse.
Ein Kapitel der FBI-Analyse widmete sich den sogenannten »Souvenirs« – den Körperteilen und möglicherweise ein paar Schmuckstücken –, die die Bestie den Opfern raubte. »Diese wurden als Andenken mitgenommen, weil sie dem Angreifer helfen, die Tat eine gewisse Zeitlang im Geiste noch einmal zu erleben. Solche Stücke werden lange aufbewahrt, und wenn der Täter sie nicht mehr benötigt, werden sie oft am Tatort oder etwa auf dem Grab des Opfers abgelegt. Gelegentlich«, merkte der Bericht trocken an, »mag es vorkommen, dass der Täter die Leichenteile aus libidinösen Motiven heraus verzehrt, um den Akt des Besitzergreifens vollkommen zu machen.«
Ein Absatz beschäftigte sich mit dem Brief, der ein Stück der Brust eines Opfers enthielt und an Staatsanwältin Silvia Della Monica geschickt worden war. »Der Brief weist möglicherweise darauf hin, dass der Täter die Polizei verhöhnen wollte. Das ließe darauf schließen, dass die öffentliche Aufmerksamkeit und das Medieninteresse an dem Fall ihm wichtig waren. Außerdem zeigt es ein zunehmendes Sicherheitsgefühl an.«
Über die Pistole, die der Täter benutzte, schrieb das FBI: »Für ihn könnte die Pistole ein Fetisch gewesen sein.« Der Gebrauch derselben Waffe und von Munition aus derselben Schachtel, all das gehörte zum rituellen Charakter der Morde, der vermutlich auch bestimmte Kleidung und andere Accessoires einschloss, die ausschließlich zum Töten getragen und ansonsten gut versteckt wurden. »Das gesamte Verhalten des Angreifers am Tatort, wie sein Gebrauch spezifischer, besonderer Gegenstände und Werkzeuge, weist darauf hin, dass dem Täter das Ritual sehr wichtig ist. Er muss das Verbrechen auf immer die gleiche Weise wiederholen, bis er Befriedigung erlangt.«
Nichts davon klang nach Pacciani, also wurde das FBI-Profil ignoriert und unter den Teppich gekehrt.
In den drei Jahren von 1989 bis 1992 stellten Perugini und seine Ermittler mit wachsender Frustration fest, dass sie nicht genug Beweise zusammenbekamen, um Pacciani anzuklagen. Schließlich setzten sie eine gewaltige, zwölf Tage dauernde Durchsuchung des armseligen Häuschens an; auch das Grundstück des alten Bauern nahmen sie sich vor.
Im April 1992 begannen Perugini und seine Leute mit der längsten und technologisch ausgefeiltesten Durchsuchung in der italienischen Geschichte. Von zehn vor zehn am Vormittag des 27. April bis zum Mittag des 8. Mai 1992 stellte eine gut bewaffnete Mannschaft ausgewählter Ermittler Paccianis Kate und Garten auf den Kopf. Sie untersuchten zentimeterweise jede Wand, schallten mit einem Sonargerät unter Böden und Pflastersteinen, erforschten jeden Spalt und jeden Hohlraum, sahen in sämtlichen Schubladen nach, drehten Möbel um – Betten, Stühle, Sofa, Schränke und Kommoden –, hoben die Dachziegel einen nach dem anderen ab, gruben sich mit Baggern fast einen Meter tief durch den Garten und erkundeten mittels Ultraschall jeden Quadratzentimeter des umliegenden Geländes.
Die Feuerwehr mit ihren Spezialisten wurde hinzugezogen. Privatfirmen wurden beauftragt, deren Fachleute mit Metalldetektoren und Wärmebildkameras hantierten. Techniker filmten mit höchster Präzision jede untersuchte Stelle. Es war auch ein Arzt vor Ort, der Paccianis Gesundheitszustand
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