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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Fall an den Corte d’Assise. Der Staatsanwalt war diesmal Piero Tony, ein aristokratischer Venezier und Liebhaber klassischer Musik; er war kahl bis auf einen äußeren Ring aus Haar, das ihm bis über den Kragen reichte. Der vorsitzende Richter war der alte, imposante Francesco Ferri, ein Jurist, der auf eine lange, ehrenvolle Laufbahn zurückblicken konnte.
    Für Piero Tony hing von dem ursprünglichen Urteil gegen Pacciani nichts Persönliches ab, er brauchte kein Gesicht zu wahren. Dieser Berufungsprozess ist eine der großen Stärken des italienischen Rechtssystems, denn weder Staatsanwälte noch Richter, die an der Berufung beteiligt sind, haben dabei irgendwelche Messer zu wetzen.
    Tonys Aufgabe war es, das Urteil gegen Pacciani aufrechtzuerhalten, und er ging sämtliche Beweise gegen den Bauern objektiv und sachlich durch.
    Und war entsetzt.
    »Wenn diese Ermittlung«, erklärte er dem Gericht, »nicht so tragisch wäre, müsste man dabei als Erstes an den Rosaroten Panther denken.«
    Statt Paccianis Schuld nachzuweisen, nutzte Tony seine Zeit vor Gericht, um die bisherigen Ermittlungen zu kritisieren und die Beweise gegen Pacciani niederzumachen. Er nahm sie Stück für Stück mit erbarmungsloser Logik auseinander, bis in der Beweisführung der Anklage kein Stein mehr auf dem anderen stand. Paccianis Anwälte konnten kaum etwas tun, als dazusitzen und in verblüfftem Schweigen zuzuschauen, während die Staatsanwaltschaft alle ihre Argumente an sich riss. Als sie an die Reihe kamen, erklärten sie nur staunend ihre Zustimmung zu dem, was die Anklage vorgebracht hatte.
    Der Verlauf des Prozesses rief bei den Ermittlern Panik und Bestürzung hervor. Da der Staatsanwalt selbst Pacciani für unschuldig erklärte, würde man den Bauern ganz sicher freisprechen, was für die Polizei eine unerträgliche Demütigung und den völligen Gesichtsverlust bedeuten würde. Man musste etwas unternehmen – und diese Aufgabe fiel Hauptkommissar Michele Giuttari zu.
    Ein halbes Jahr zuvor, Ende Oktober 1995, hatte Hauptkommissar Giuttari ein sonniges Büro hoch über dem Arno in der Nähe des amerikanischen Konsulats bezogen. Er hatte den Fall der Bestie von Florenz übernommen, als Hauptkommissar Perugini nach Washington versetzt worden war. Die Squadra Anti-Mostro war aufgelöst worden, da man den Fall ja für gelöst hielt, doch Giuttari würde bald eine neue Sonderkommission einrichten. Vorerst hatte er sich an die Herkules-Aufgabe gemacht, sämtliche Akten über den Fall durchzulesen, Zehntausende von Seiten, darunter Hunderte Zeugenvernehmungen, Unmengen von Experten-Gutachten und technischen Analysen sowie komplette Transkripte der Gerichtsverhandlung. Er durchkämmte außerdem die verwahrten Indizien und untersuchte alles, was an den Tatorten eingesammelt worden war, ganz gleich, wie unbedeutend es erschien.
    Hauptkommissar Giuttari entdeckte viele lose Fäden, nie erklärte Beweisstücke und grundsätzliche Rätsel, die es noch zu entschlüsseln galt. Während dieser Arbeit kam er zu einem fatalen Schluss: Der Fall war nicht vollständig gelöst worden. Niemand, nicht einmal Perugini, hatte die entsetzlichen Dimensionen des Falls ganz erfasst.
    Michele Giuttari war Sizilianer, aus Messina, schneidig und wortgewandt, ein angehender Schriftsteller und Connaisseur verworrener Verschwörungstheorien. Er lief mit einer halben »Toscano«-Zigarre im Mundwinkel herum, den Mantelkragen hochgeschlagen, das lange, kräftige, glänzend schwarze Haar zurückgegelt. Er erinnerte an Al Pacino in Scarface , und in seinem Auftreten lag tatsächlich etwas Cineastisches, stets voller Stil und Elan, als sei eine Kamera auf ihn gerichtet.
    Während Giuttari die Akten durchkämmte, entdeckte er bedeutende, aber bisher übersehene Hinweise, die seiner Meinung nach auf etwas viel Übleres hindeuteten als einen einsamen Serienmörder. Er begann mit Lorenzo Nesis Behauptung, er habe Pacciani und eine weitere Person in einem roten Auto gesehen (das in Wirklichkeit weiß war), in jener Sonntagnacht und nur einen Kilometer vom letzten Mordschauplatz entfernt. Giuttari begann mit Nachforschungen zu dieser schattenhaften Person. Wer war der Mann? Warum hatte er in dem Auto gesessen? War er an dem Mord beteiligt gewesen? Indem er die Wahrheit aufdeckte, die echte Wahrheit, würde der Hauptkommissar sich natürlich selbst den größten Gefallen erweisen. Perugini hatte die Bestie als Startpunkt für einen gewaltigen Karrieresprung genutzt, und

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