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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Mutter des ermordeten Mädchens. Wir kamen zu einer hohen Mauer mit einem eisernen Tor, dahinter eine prachtvolle dörfliche Villa, eines der imposantesten Gebäude in Vicchio. Durch die Torflügel konnte ich einen geometrisch angelegten Garten sehen, der verwildert war. Dahinter ragte die Fassade des dreistöckigen Gebäudes in die Höhe. Es war arg heruntergekommen, der hellgelbe Putz rissig und stellenweise abgeblättert. Die Fenster waren mit Läden verschlossen. Die Villa sah verlassen aus.
    Wir drückten auf die Klingel am schmiedeeisernen Tor, und eine Stimme drang blechern und wackelig aus dem winzigen Lautsprecher. Mario nannte seinen Namen, und mit einem Klicken sprang das Tor auf. Winnie Rontini empfing uns an der Tür und bat uns in ihr abgedunkeltes Haus. Sie bewegte sich langsam und schwerfällig, wie unter Wasser.
    Wir folgten ihr in ein finsteres Wohnzimmer, in dem es kaum Möbel gab. Ein einziger Fensterladen stand halb offen und ließ einen Lichtstrahl herein, der die Dunkelheit wie eine weiße Mauer teilte. Staub wirbelte darin herum, leuchtete einen Moment lang auf und verschwand wieder. Es roch nach altem Stoff und Wachspolitur. Das Haus war praktisch leer, nur ein paar schäbige Möbelstücke waren übrig geblieben, denn sämtliche Antiquitäten und das Silber waren vor langer Zeit verkauft worden, um die Suche nach dem Mörder der Tochter zu finanzieren. Signora Rontini war so verarmt, dass sie sich nicht einmal mehr ein Telefon leisten konnte.
    Wir setzten uns auf die abgewetzten Möbel und wirbelten dabei einen kleinen Staubsturm auf. Signora Rontini ließ sich uns gegenüber langsam und würdevoll auf einem Sessel mit klumpiger Polsterung nieder. Ihre helle Haut, das feine Haar und die himmelblauen Augen verrieten ihre dänische Herkunft. Um den Hals trug sie eine Goldkette mit den Buchstaben P und C daran, für Pia und Claudio.
    Sie sprach langsam, als hinge an jedem Wort ein schweres Gewicht. Mario erzählte ihr von unserem Projekt und unserer andauernden Suche nach der Wahrheit. Sie erklärte ihre Überzeugung so gelassen, als kümmere es sie nicht mehr, dass Pacciani der Mörder sei. Sie sagte uns, dass ihr Mann Renzo, ein hochbezahlter Schiffsingenieur, der früher in der ganzen Welt herumgereist war, seine Arbeit aufgegeben hatte, um sich ganz dem Ziel der Gerechtigkeit für seine Tochter zu widmen. Jede Woche suchte er das Polizeipräsidium in Florenz auf, erkundigte sich nach Neuigkeiten und beriet sich mit den Ermittlern, und er hatte persönlich mehrmals hohe Belohnungen für nützliche Informationen ausgesetzt. Er trat oft im Fernsehen und im Radio auf und bat die Bevölkerung um Mithilfe. Mehr als einmal wurde er betrogen. Die Anstrengungen ruinierten schließlich seine Gesundheit und fraßen ihre finanziellen Mittel auf. Renzo starb nach einem seiner Besuche im Polizeipräsidium auf offener Straße an einem Herzinfarkt. Signora Rontini blieb ganz allein in der großen Villa zurück, verkaufte Stück für Stück das Inventar und versank immer tiefer in ihren Schulden.
    Mario erkundigte sich nach der Kette.
    »Mein Leben«, sagte sie und berührte die goldenen Buchstaben, »ging an diesem Tag zu Ende.«

Kapitel 32
Wenn du dich unverwundbar wähnst, gehst du dann hinein? Betrittst du den Palast, so berühmt in seinem Blut und Glanz, folgst du deinem Gesicht durch das Dunkel voller Netze …? Im Foyer ist die Dunkelheit fast vollkommen. Eine lange Treppe, das Geländer kalt unter deinen gleitenden Fingern, die Stufen von Jahrhunderten an Schritten abgeschöpft …
    An einem kalten Januarmorgen stiegen Christine und ich die Treppe hinauf, die Thomas Harris in Hannibal so lebhaft beschreibt. Wir hatten einen Termin im Palazzo Capponi, mit Conte Niccolò Piero Uberto Ferrante Galgano Gaspare Calcedonio Capponi und seiner Frau, Contessa Ross. Ich hatte den unangemeldeten Anruf schließlich doch gewagt. Der Film Hannibal unter der Regie von Ridley Scott war kürzlich im Palazzo Capponi gedreht worden, wo Hannibal Lecter alias »Dr. Fell« als Kurator der Capponi-Bibliothek tätig ist. Ich dachte, es könnte interessant sein, den echten Kurator des Archivs, Graf Niccolò persönlich, zu interviewen und darüber eine »Talk of the Town«-Kolumne im New Yorker zu schreiben, pünktlich zum Kinostart.
    Der Graf kam uns am Kopf der Treppe entgegen und führte uns in die Bibliothek, wo uns die Gräfin erwartete. Er war etwa vierzig Jahre alt, groß und robust, mit lockigem braunem Haar, einem

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