Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
Vom Netzwerk:
seinen Blick zu McArt’s Fort auf den nahe gelegenen Hügeln. Einen Sekundenbruchteil schien etwas nicht in Ordnung zu sein. Ein stumpfes Aufblitzen in seinem Blickfeld. Metall? Glas? Eine Augentäuschung? Ein Tourist, der Fotos von der Ruine machte?
    Billys Nackenhaare richteten sich auf. Er erschauerte.
    »Beeilt euch, ihr Drecksäcke! Grabt schneller. Ich will hier weg. Hier wird’s bald von Leuten wimmeln.«

[zurück]
    Kapitel  Eins
    Montag, 24 .Januar
    »Durch diese schäbigen Straßen muss ein Mann gehen, der selbst nicht schäbig ist … ein gewöhnlicher und doch ungewöhnlicher Mann. Er redet wie der typische Mann seiner Zeit, geistreich, rüde, mit einem ausgeprägten Sinn für das Groteske.« Raymond Chandler,
Die simple Kunst des Mordens
    Der spindeldürre, aber beeindruckend hochgewachsene Karl Kane drückte einen Klecks Salbe aus der prallen Tube und trug sie für einen so großen Mann recht zimperlich auf sein Hinterteil auf.
    Mit einem verhaltenen Fluch verzog er das Gesicht, als die kalte Salbe ihr Ziel fand. Eine halbe Sekunde später entspannten sich seine Züge wieder, als die Salbe ihre Wirkung tat.
    Karl wischte sich den Zeigefinger an der Unterhose ab, die einen Wulst um seine Knöchel bildete, und bemerkte eine winzige rote Schliere.
    »Auch das noch …«
    Als er sich gerade bückte, um die zerknautschte Unterhose hochzuziehen, wurde die Tür seines Büros aufgerissen.
    »Also, das nenne ich mal ein fröhliches Guten-Morgen-Lächeln«, sagte eine grinsende junge Frau, die zerrissene Levis und ein T-Shirt anhatte, das die Aufschrift trug:
Jeder hat ein Recht auf meine Meinung.
Sie war äußerst attraktiv und schlank, hatte dunkle Haut, große Mandelaugen und dichtes, schwarzes Haar, das normalerweise in alle Richtungen abstand, an diesem Morgen jedoch von einem dünnen roten Band gebändigt wurde. Ihre Stimme hatte einen nördlichen Akzent, doch eine Restspur Süden ließ sich nicht verhehlen. Wenn irgendein Witzbold Anspielungen auf ihre Größe machte (eins fünfundsechzig), schossen förmlich kleine Dolche aus ihren Augen, die so spitz waren wie ihre Zunge: »Dynamit wird auch in kleinen Stangen geliefert …«
    »Um Gottes willen, Naomi, ich habe dir doch gesagt, dass du mich in den nächsten zwanzig Minuten nicht stören sollst«, knurrte Karl und zog hastig die Hose hoch. »Sind mir nicht mal in meinem eigenen Büro ein paar Sekunden Privatsphäre vergönnt?«
    »Ruhig, ruhig. Du willst doch nicht, dass dein Blutdruck wieder durch die Decke geht. Außerdem ist es ja nicht so, dass ich dieses sexy Lächeln noch nie gesehen hätte.«
    »Was zum Teufel ist denn so dringend?«, fragte Karl, der mit den Zähnen knirschte und seine hochgewachsene Gestalt langsam auf ein ringförmiges Gummikissen auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch sinken ließ. Es fühlte sich an, als hätte er sich auf Nadeln gesetzt. Tränen schossen ihm in die schlackegrauen Augen.
    »Ein Mister Munday, mit ›u‹, will dich sofort sprechen.«
    »Munday am Montag? Bitte keine Wortspiele. Dafür ist es zu früh am Tag. Hat er einen Termin?«
    »Nein. Soll ich ihm sagen, dass er einen machen und wiederkommen soll, wenn du nicht mehr so schwer beschäftigt bist?« Naomi lächelte verschmitzt.
    »Was haben wir gelacht. Gib mir fünf Minuten, bevor du Mister Munday mit einem ›u‹ hereinbittest – und mach die Tür hinter dir zu.«
    Karl fischte einen Brief aus einer überquellenden Ablage heraus. Sein Herz schlug schneller. Verlagsgruppe Burrger & Goldsmith, stand in stolzen Lettern auf dem blütenweißen Umschlag. Nervös und erwartungsvoll schlitzte er mit dem Zeigefinger das Kuvert auf, bevor er zögernd den einseitigen Brief herausfischte.
    Langsam faltete er das Blatt Papier auf und las jedes Wort einzeln – ein Versuch, mit der niederschmetternden Absage fertigzuwerden. Er kam bis zur dritten Zeile, und da standen sie, die verhassten Worte:
Zu unserem großen Bedauern …
    »Na klar doch …« Es war nicht nötig, den Rest des Briefes zu lesen. Sein Inhalt war identisch mit dem der zwölf anderen, die ganz unten in seiner Schublade lagen.
    Karls Büro war schon immer karg möbliert gewesen und beherbergte nur wenige liebe und teure Stücke. Direkt über seinem Kopf überblickte eine gerahmte Zeichnung mit persönlicher Widmung von John Kennedy, dem bekannten politischen Karikaturisten, das Zimmer. Sie zeigte eine Karikatur von Karl Kane im Kostüm von Sherlock Holmes, wie er mit einem Vergrößerungsglas

Weitere Kostenlose Bücher