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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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Beruhigung bei.
    Glücklicherweise war die Schwellung seiner Hand in den vergangenen Tagen abgeklungen. Er fragte sich, wie Wilsons Gesicht wohl aussehen mochte. Bei dem Gedanken musste er lächeln.
    Spontan schaltete Karl das Radio ein und drückte sich durch die vielen Sender, bis er die makellose Stimme von Billie Holiday hörte, die
Stormy Weather
sang. Das beruhigte ihn ein wenig. Er flüsterte mit, ein Duett mit Billie.
    »Just can’t get my poorself together, I’m weary all the time …«
    Karl sah zum x-ten Mal in den Rückspiegel und bemerkte die beiden gleißenden Scheinwerfer, die ihm viel zu dicht folgten, als würden sie sich an seinem Auto orientieren.
    »Anscheinend fährst du einen Magneten, du Arschloch …«, sagte er und wünschte sich, er könnte auf der schmalen Straße rechts ranfahren und den aufdringlichen Fahrer passieren lassen.
    Er erduldete den Magneten zehn weitere quälende Minuten, dann verschwand das Auto plötzlich auf Höhe des Bellevue Zoos.
    »Schaust du mal bei deinen Verwandten vorbei?«
    Er setzte seine Fahrt fort, bis er den Stadtkern hinter sich gelassen hatte und ein Viertel mit Bäumen und viktorianischen Villen erreichte, die auf großzügigen Privatgrundstücken standen.
    Er hielt an und suchte im Handschuhfach nach einer Straßenkarte, von der er sicher war, dass es sie gab. Er fand sie auch – allerdings nur teilweise. Öl, Feuchtigkeit und der Zahn der Zeit hatten dem Papier stark zugesetzt.
    Er schüttelte verdrossen den Kopf, als er sah, in welchem Zustand sich die Karte befand, und fasste den Entschluss, dass er sich, sobald er wieder flüssig war, eines dieser Satellitendinger zulegen würde, die einen auf Knopfdruck bis direkt vor die Haustür des Ziels lotsten. Und einem noch das Gesicht wuschen und den Arsch abwischten, wenn man der Werbung Glauben schenken durfte. Vielleicht würde er aber auch nur die beschissenen Scheibenwischer austauschen lassen.
    Der Regen prasselte auf das Auto. Er konnte nicht klar denken, geschweige denn, die Karte lesen. Er ließ den Motor an und fuhr weiter.
    Als er einen schmalen Feldweg entlangfuhr, schien eine schwere Last den Wagen niederzudrücken, der tief in den Morast einsank. Die Reifen drehten durch; Erde und Dreck spritzten auf die Windschutzscheibe. Hastig schaltete er die Wischer aus.
    »Komm schon, altes Mädchen. Lass mich jetzt nicht im Stich … bitte.«
    Das Auto ruckte und stieß schwarzen Rauch aus.
    »Komm schon …«
    Dann schnellte der Wagen unvermittelt nach vorn. Karl wurde kalt erwischt. Er sah rein gar nichts, während seine Instinkte und blanken Nerven im Wettstreit lagen. Er steuerte nach links, nach rechts, dann hastig wieder nach links und wagte aus Angst, er könnte sich wieder im Schlamm festfahren, nicht, den Fuß vom Gas zu nehmen. Plötzlich sprang ihm ein Baum vors Auto. Er stieg in die Eisen. Zwei Sekunden zu spät.
     
    Wie lange war er bewusstlos? Ein paar Sekunden? Minuten? Er sah auf die Uhr. Zertrümmert. Zaghaft berührte er die Stirn. »Oh …« Die Platzwunde schien tief zu sein. Blut lief ihm über die Stirn und überzog sein Gesicht mit einem Muster, das seine Falten vorgaben. Mit einem alten Kleenex saugte er einen Teil des Blutes auf. »Idiot …« Er war durcheinander. Erschrocken. Er wusste, es hätte schlimmer enden können. Verdammt viel schlimmer.
    Er öffnete die Tür, stolperte hinaus in Schlamm und Regen und versuchte, den Schaden an seinem heiß geliebten Auto abzuschätzen. »Ah, Scheiße, nein …« Eine Delle, so groß wie ein Mikrowellenherd, bot sich dem Blick seiner blutunterlaufenen Augen dar. Er strich zärtlich über die Motorhaube wie über einen menschlichen Körper. »So ein verdammter Mist.« Sein einziger Trost war, dass der Motor unbeschädigt zu sein schien.
    Er tupfte sich nochmals die Stirn ab, dann warf er das vollgesogene Taschentuch weg. Sofort rann ihm wieder Blut über das Gesicht, das der Regen wegwusch.
    Er ließ das Auto zurück und stapfte zwischen Dornenhecken und Büschen hindurch den steilen Hang empor, schlitternd und stolpernd bis zur Kuppe hinauf, wo er atemlos und desorientiert und bis zur Hüfte mit Schlamm besudelt stehen blieb.
    »Es muss einen einfacheren Weg geben, wie man sich seinen Lebensunterhalt verdienen kann in dieser gottverdammten …«
    Das große, abgelegene Haus hockte stolz auf einer Lichtung. Fehlende Ziegel und abblätternde Farbe zeugten von Verwahrlosung.
    Karl schlich an mehreren »Betreten verboten«-Schildern

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