Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)
sich um die Fraktionslosen zu kümmern.
Die Verhältnisse dort haben sie zweifellos an diesen Ort hier erinnert.
Ich wende mich von Amar ab, damit er meine Tränen nicht sieht. » Lass uns zum Truck zurückgehen. «
» Alles in Ordnung mit dir? «
» Ja. «
Wir machen kehrt, als plötzlich Pistolenschüsse zu hören sind.
Gefolgt von einem Ruf. » Hilfe! «
Alle um uns herum laufen auseinander.
» Das ist George « , sagt Amar und rennt in eine Gasse rechts von uns. Ich jage ihm hinterher, aber er ist zu schnell für mich und dieser Ort ist ein Labyrinth – ich verliere ihn binnen Sekunden, und dann bin ich allein.
Obwohl ich als einstige Altruan fast zwangsläufig Mitleid für diese Menschen empfinde, habe ich doch auch Angst vor ihnen. Wenn sie tatsächlich wie die Fraktionslosen sind, dann sind sie verzweifelt, und vor verzweifelten Menschen bin ich auf der Hut.
Eine Hand schließt sich um meinen Arm und zieht mich rückwärts in eine der Aluminiumhütten hinein. Im Innern leuchtet es bläulich, was von der über Wände gespannten Plane herrührt, die den Unterschlupf gegen die Kälte isoliert. Der Boden ist mit Sperrholz bedeckt. Vor mir steht eine kleine, dünne Frau mit einem schmutzigen Gesicht.
» Du solltest lieber nicht da draußen rumlaufen « , sagt sie. » Sie greifen jeden an, ganz gleich, wie jung er ist. «
» Sie? « , wiederhole ich.
» Es gibt hier sehr viele zornige Leute « , antwortet die Frau. » Bei manchen weckt der Zorn den Wunsch, jeden zu töten, den sie für einen Feind halten. Andere macht der Zorn sehr erfinderisch. «
» Ja also, danke für deine Hilfe « , sage ich. » Mein Name ist Tris. «
» Amy. Setz dich. «
» Ich kann nicht « , sage ich. » Meine Freunde sind dort draußen. «
» Dann solltest du warten, bis die Horden sich um deine Freunde geschart haben, und dich dann von hinten an sie heranschleichen. «
Das hört sich schlau an.
Meine Waffe bohrt sich in mein Bein, als ich mich auf den Boden sinken lasse. Die kugelsichere Weste ist so steif, dass es schwerfällt, sich bequem niederzulassen, aber ich bemühe mich, möglichst entspannt zu wirken. Ich höre draußen Menschen rennen und rufen. Amy zieht die Ecke der Plane zurück, um hinauszuspähen.
» Du und deine Freunde seid also keine Soldaten « , stellt sie fest und blickt nach draußen. » Dann seid ihr wohl diese Gen-Leute vom Amt. «
» Nein « , sage ich. » Ich meine, sie sind es, aber ich komme aus der Stadt. Ich meine, Chicago. «
Amy zieht die Augenbrauen hoch. » Verdammt. Haben Sie das Experiment abgebrochen? «
» Noch nicht. «
» Schade. «
» Schade? « , wiederhole ich stirnrunzelnd. » Du redest von meinem Zuhause. «
» Kann sein, aber dein Zuhause liefert ihnen angeblich den Beweis, dass gendefekte Menschen beschädigt sind, was schlicht und einfach nicht stimmt. Also ja, es ist schade, dass das Experiment weiterläuft. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, das gesagt zu haben. «
So habe ich es noch nicht betrachtet. Für mich muss Chicago weiterexistieren, weil die Menschen, die ich verloren habe, dort gelebt haben, und weil die Art zu leben, die ich früher geliebt habe, dort fortgeführt wird, wenn auch in einer abgeänderten Form. Aber mir war nicht klar, dass Chicagos bloße Existenz anderen Menschen schaden könnte.
» Es wird Zeit, dass du gehst « , sagt Amy und lässt die Ecke der Plane fallen. » Sie sind wahrscheinlich an einem der Treffpunkte, nordwestlich von hier. «
» Nochmals vielen Dank « , sage ich.
Sie nickt und ich ducke mich aus ihrem improvisierten Zuhause. Die Bretter knarren unter meinen Füßen.
Ich husche durch die Gassen, froh, dass die Leute bei unserer Ankunft geflohen sind, sodass mir niemand den Weg versperrt. Ich springe über eine Pfütze von – ich will gar nicht wissen, was – und gelange schließlich in eine Art Innenhof, wo ein hochgewachsener, schlaksiger Junge George mit einer Waffe bedroht.
Eine kleine Gruppe von Menschen umringt die beiden. Sie haben Georges Überwachungsausrüstung untereinander verteilt und zerstören sie, schlagen mit Schuhen und Stöcken und Hämmern darauf.
Georges Blick wandert zu mir, aber ich lege hastig einen Finger auf die Lippen. Ich bin jetzt am Rand der Menge, aber der Junge mit der Waffe hat mich noch nicht entdeckt.
» Leg die Waffe weg « , sagt George.
» Nein! « , antwortet der Junge. Seine hellen Augen wandern immer wieder von George zu den Menschen um ihn herum und zurück. »
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