Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Stadt mit Strom, den es sowohl aus Wind-, Wasser- als auch Sonnenenergie erzeugt.
Marcus steht neben den Filtermaschinen. Die Rohre sind durchsichtig. Braun verfärbtes Wasser strömt durch sie hindurch und verschwindet in der Maschine. Wir sehen beide zu, wie es gereinigt wird, und ich frage mich, ob er das Gleiche denkt wie ich, dass es schön wäre, wenn es bei den Menschen auch so leicht ginge und man den Schmutz aus unserem Leben wegwaschen und uns wieder sauber in die Welt hinausschicken könnte. Aber es gibt Schmutz, der für immer an einem haften bleibt.
Ich richte den Blick auf Marcus’ Hinterkopf. Ich muss es tun.
Jetzt.
» Ich habe dich neulich gehört«, platze ich heraus.
Marcus fährt herum. » Was machst du hier, Beatrice?«
» Ich bin dir gefolgt«, sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. » Ich habe gehört, wie du mit Johanna über die Gründe von Jeanines Angriff auf die Altruan geredet hast.«
» Haben die Ferox dir beigebracht, dass man seine Nase in die Privatangelegenheiten anderer Menschen stecken darf, oder hast du das selbst gelernt?«
» Ich bin von Natur aus neugierig. Lenk nicht vom Thema ab.«
Marcus legt die Stirn in Falten, zwischen den Augenbrauen bilden sich tiefe Furchen und auch um den Mund. Es sieht aus, als hätte er sein ganzes Leben lang immer nur die Stirn gerunzelt.
Als er jünger war, hat er womöglich sogar ganz gut ausgesehen– und vielleicht wirkt er auf Frauen seines Alters, wie etwa Johanna, noch immer so, aber wenn ich ihn anschaue, dann sehe ich nur die pechschwarzen Augen, die ich aus Tobias’ Angstlandschaft kenne.
» Wenn du mich und Johanna belauscht hast, dann weißt du auch, dass ich nicht einmal mit ihr darüber gesprochen habe. Was bringt dich also auf die Idee, dass ich ausgerechnet dir diese Auskunft gebe?«
Zuerst weiß ich nicht, was ich darauf antworten soll. Aber dann fällt es mir ein.
» Mein Vater«, fange ich an. » Mein Vater ist tot.« Es ist das erste Mal, dass ich es laut ausspreche, seit ich Tobias im Zug auf dem Weg hierher gesagt habe, dass meine Eltern um meinetwillen gestorben sind. Dieses Wort, gestorben, war damals nur eine Erklärung für mich gewesen, ich hatte damit keine Gefühle verbunden. Aber jetzt sage ich es, tot, und es über das Brodeln und Blubbern in diesem Raum hinweg auszusprechen, fühlt sich an, als würde mir jemand mein Herz zerquetschen. Die Trauer erwacht wie ein Monster und krallt sich in meinen Augen und in meiner Kehle fest.
Ich zwinge mich weiterzureden.
» Vielleicht ist er nicht direkt wegen dieser geheimen Informationen gestorben, von denen du gesprochen hast«, sage ich. » Aber ich möchte wissen, ob er deswegen sein Leben aufs Spiel gesetzt hat.«
Marcus’ Mundwinkel zucken.
» Ja«, sagt er. » Das hat er.«
Meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich blinzle sie weg.
» Also gut«, ich quetsche die Worte aus mir heraus, » was um alles in der Welt war es? War es etwas, was du beschützen wolltest? Oder stehlen? Oder was?«
» Es war…« Marcus schüttelt den Kopf. » Das werde ich dir nicht sagen.«
Ich mache einen Schritt auf ihn zu. » Aber du willst es wiederhaben. Und Jeanine hat es.«
Marcus ist ein ziemlich guter Lügner– er ist sehr geschickt darin, Geheimnisse zu verbergen. Er reagiert einfach nicht. Ich wünschte, ich könnte sehen, was Johanna sieht oder was die Candor sehen– ich wünschte, ich könnte in seiner Miene lesen. Vielleicht ist er kurz davor, mir die Wahrheit zu sagen. Wenn ich genügend Druck mache, vielleicht knickt er dann ein.
» Ich könnte dir helfen«, biete ich ihm an.
Marcus verzieht die Oberlippe. » Du weißt gar nicht, wie lächerlich das klingt.« Er spuckt mir den Satz praktisch ins Gesicht. » Du hast vielleicht den Simulationsangriff erfolgreich beendet, Mädchen, aber das war reines Glück und hat nichts mit Können zu tun. Ich bekäme glatt einen Herzinfarkt, wenn du in nächster Zeit etwas Nützliches zustande bringen würdest.«
Dies ist der Marcus, den Tobias kennt. Der Marcus, der genau weiß, wo er treffen muss, damit es richtig wehtut.
Ich bin so wütend, dass ich am ganzen Körper zittere. » Tobias hat recht, was dich angeht«, stoße ich hervor. » Du bist nichts als ein arrogantes, verlogenes Stück Dreck.«
» Das hat er gesagt? Tatsächlich?« Marcus zieht die Augenbrauen hoch.
» Nein«, antworte ich. » Er spricht nicht oft genug von dir, um so etwas zu sagen. Ich habe das ganz allein herausgefunden.« Ich
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