Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
prasseln. Es wird dunkel im Raum, als hätte das, was ich eben gesagt habe, das Licht gedämpft.
» Das klingt mir doch sehr nach einer Verschwörungstheorie«, erwidert Jack. » Aus welchem Grund sollten die Ken dich umbringen wollen?«
Meine Mutter hat gesagt, die Menschen hätten Angst vor den Unbestimmten, weil man sie nicht kontrollieren könne. Das mag stimmen, aber Angst vor dem Unkontrollierbaren ist keine Erklärung, die für jemanden wie Jack Kang ausreichen sollte, um ihn davon zu überzeugen, dass die Ken uns lieber tot als lebendig sähen. Mein Herz rast, als mir klar wird, dass ich seine Frage nicht beantworten kann.
» Ich…«, setze ich an, aber Tobias unterbricht mich.
» Wir wissen es nicht«, sagt er, » aber in den vergangenen sechs Jahren haben sich ungefähr ein Dutzend mysteriöser Todesfälle bei den Ferox ereignet und es besteht ein Zusammenhang zwischen den Vorfällen und den auffallenden Ergebnissen der Eignungstests oder der Initiationssimulationen.«
Ein Blitz zuckt über den Himmel und erhellt den Raum. Jack schüttelt den Kopf. » Das ist zwar verblüffend, aber ein Zusammenhang ist noch kein Beweis.«
» Ein Anführer der Ferox hat ein Kind der Candor erschossen«, rufe ich empört. » War in all den vielen Berichten auch davon die Rede? Oder bedarf das keiner weiteren Nachforschungen?«
» Davon habe ich in der Tat gehört«, sagt Jack Kang. » Ein Kind kaltblütig zu töten, ist ein entsetzliches Verbrechen und darf nicht ungestraft bleiben. Zum Glück haben wir den Täter in Gewahrsam genommen und können ihn verurteilen. Dennoch dürfen wir eines nicht außer Acht lassen, nämlich dass die Ferox-Soldaten uns ganz offensichtlich nicht töten wollten, sonst hätten sie uns ja auch einfach im Schlaf ermorden können.«
Um mich herum erhebt sich irritiertes Raunen.
» Ihre friedliche Invasion zeigt mir, dass man mit den Ken und den anderen Ferox einen Friedensvertrag aushandeln kann«, fährt er fort. » Deshalb werde ich mich mit Jeanine Matthews treffen, um so bald wie möglich mit ihr darüber zu sprechen.«
» Ihre Invasion war nicht friedlich«, protestiere ich. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Tobias’ Mundwinkel sich zu einem Lächeln verziehen, daher hole ich tief Luft und versuche es erneut. » Nur weil sie euch nicht alle erschossen haben, heißt das noch lange nicht, dass ihre Absichten ehrenvoll sind. Warum, glaubt ihr, sind sie hergekommen? Nur, um die Gänge zu stürmen, euch außer Gefecht zu setzen und dann wieder abzuhauen?«
» Ich nehme an, sie sind wegen Leuten wie dir gekommen«, sagt Jack. » Und wenngleich ich mich um deine Sicherheit sorge, glaube ich nicht, dass wir sie angreifen dürfen, nur weil sie angeblich einen kleinen Teil der Bevölkerung töten wollen.«
» Jemanden zu töten, ist nicht das Schlimmste«, sage ich. » Das Schlimmste ist, die Herrschaft über jemanden zu haben.«
Jack schmunzelt amüsiert. Amüsiert. » Oh, und wie wollen sie das bewerkstelligen?«
» Sie haben mit Nadeln auf euch geschossen«, sagt Tobias. » Nadeln, die Simulationstransmitter enthalten. Mithilfe der Simulationen beherrschen sie euch. So einfach ist das.«
» Wir wissen, wie Simulationen funktionieren«, erwidert Jack. » Die Transmitter bleiben nicht für immer im Körper. Wenn die Ken uns kontrollieren wollten, dann hätten sie es an Ort und Stelle getan.«
» Aber –«, protestiere ich erneut, doch Jack Kang unterbricht mich sofort.
» Ich weiß, dass du viel mitmachen musstest, Tris«, sagt er gelassen, » und dass du deiner Fraktion und den Altruan einen großen Dienst erwiesen hast. Aber ich fürchte, dass deine traumatischen Erfahrungen womöglich deine klare Sicht getrübt haben. Auf die Vermutungen eines kleinen Mädchens hin kann ich keinen Angriff starten.«
Ich stehe starr wie eine Statue da, ich kann es nicht fassen, dass er so dumm ist. Mein Gesicht brennt. Kleines Mädchen hat er mich genannt. Ein kleines Mädchen, das ganz verrückt vor lauter Angst ist. Das bin ich nicht, aber jetzt denken alle Candor genau das von mir.
» Du entscheidest nicht für uns, Kang«, sagt Tobias.
Alle Ferox um mich herum stimmen ihm lautstark zu. » Du bist nicht der Anführer unserer Fraktion!«, ruft jemand.
Jack wartet ab, bis sich das Geschrei gelegt hat. » Das ist wahr. Es steht euch natürlich frei, das Hauptquartier der Ken auf eigene Faust anzugreifen. Aber von unserer Seite werdet ihr keinerlei Unterstützung erhalten, und vielleicht darf
Weitere Kostenlose Bücher