Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
nehme an, du hast es längst herausgefunden«, sagt er, » aber du willst, dass ich dir widerspreche. Ich fürchte, das kann ich nicht.«
» Sie haben einen Transmitter mit Langzeitwirkung entwickelt«, spreche ich meine Vermutung aus, und er nickt.
» Also sind wir jetzt alle für mehrfache Simulationen empfänglich«, füge ich hinzu. » Und Jeanine kann schalten und walten, wie sie will.«
Er nickt wieder.
Mein nächster Atemzug ist zittrig. » Das ist ein Albtraum, Tobias.«
Auf dem Gang vor dem Befragungsraum bleibt er stehen und lehnt sich gegen die Wand.
» Du hast also Eric angegriffen«, sagt er. » War es, als sie ins Gebäude eingedrungen sind? Oder erst als ihr bei den Aufzügen wart?«
» Bei den Aufzügen.«
» Eines verstehe ich nicht«, überlegt Tobias weiter. » Du warst unten. Du hättest einfach weglaufen können. Stattdessen hast du dich ganz alleine unter eine Horde bewaffneter Ferox-Verräter gemischt. Und ich gehe jede Wette ein, dass du nicht mal eine Waffe bei dir hattest.«
Ich presse die Lippen zusammen.
» Das stimmt doch, oder?«, hakt er nach.
» Wieso glaubst du, dass ich keine Waffe bei mir hatte?«, frage ich trotzig.
» Seit dem Angriff hast du es nicht über dich gebracht, eine Waffe anzurühren«, antwortet er. » Ich verstehe ja den Grund dafür, die ganze Sache mit Will und so weiter, aber –«
» Damit hat es nichts zu tun.«
» Nein?« Er zieht die Augenbraue hoch.
» Ich habe getan, was ich tun musste.«
» Ja, aber jetzt sollte damit Schluss sein.« Er stößt sich von der Wand ab und sieht mich an. Die Gänge bei den Candor sind sehr breit– breit genug für all den Raum, den ich zwischen uns schaffen möchte. » Du hättest bei den Amite bleiben sollen. Du hättest dich von all dem fernhalten sollen.«
» Nein, das hätte ich nicht«, erwidere ich. » Du denkst, du wüsstest, was für mich am besten ist? Du hast keine Ahnung. Ich bin verrückt geworden bei den Amite. Hier komme ich mir endlich wieder wie ein vernünftiger Mensch vor.«
» Was irgendwie merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass du dich wie eine Geistesgestörte benimmst«, sagt er. » Es ist nicht tapfer, sich in eine solche Lage zu bringen, wie du es gestern getan hast. Es ist mehr als dumm– es ist glatter Selbstmord. Ist dir denn dein Leben völlig egal?«
» Natürlich nicht! Ich wollte nur etwas Nützliches tun!«
Ein paar Sekunden starrt er mich einfach nur an.
» Du bist mehr als furchtlos, mehr als eine Ferox«, sagt er leise. » Aber wenn du so sein willst wie sie, wenn du dich selbst wegen nichts und wieder nichts in ausweglose Situationen bringen willst und dich an deinen Feinden rächen willst, egal, ob es moralisch richtig ist oder nicht, dann mach weiter so. Ich dachte, du wärst klüger, aber vielleicht habe ich mich ja geirrt!«
Bei seinen Worten balle ich die Fäuste und muss die Zähne zusammenbeißen.
» Beleidige die Ferox nicht«, fauche ich ihn an. » Sie haben dich aufgenommen, als du nirgendwohin gehen konntest. Sie haben dir sogar einen guten Job gegeben. Alle deine Freunde sind Ferox.«
Ich lehne mich an die Wand. Die Fliesen im Merciless Mart sind überall schwarz und weiß, und hier sind sie gemustert wie ein Schachbrett. Wenn ich flüchtig hinschaue, dann sehe ich genau das, wovon die Candor nichts halten– grau. Vielleicht halten Tobias und ich auch nichts davon. Jedenfalls nicht wirklich.
Ich bin zu schwer, schwerer, als mein Körper es ertragen kann, so schwer, dass ich eigentlich im Boden versinken müsste.
» Tris.«
Ich starre weiter vor mich hin.
» Tris.«
Da endlich blicke ich ihn an.
» Versteh mich doch, ich will dich nicht verlieren.«
Ein paar Minuten lang stehen wir so da. Ich sage nicht, was ich denke, nämlich dass er vielleicht recht hat. Da ist etwas in mir, dass sich selbst verlieren will, dass bei meinen Eltern und bei Will sein möchte, damit ich mich nicht länger nach ihnen sehnen muss. Das herausfinden will, was danach kommt.
» Du bist also der Bruder?«, sagt Lynn. » Dann ist es ja wohl klar, wie bei euch die Gene verteilt sind.«
Ich muss über Calebs Gesichtsausdruck lachen, er verzieht seinen Mund und reißt verblüfft die Augen auf.
» Wann musst du zurück?«, frage ich und versetze ihm mit dem Ellenbogen einen Knuff.
Ich beiße in mein Sandwich, für das sich Caleb in der Cafeteria angestellt hat. Ich bin nervös, weil er hier ist, denn mit ihm berühren sich die traurigen Überreste meines Familienlebens mit
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