Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Augen leuchten. » Wie geht das? Ich meine, ist der Computer oder das Gehirn für die Albträume verantwortlich?«
» Oh Gott.« Lynn stützt den Kopf in die Hände. » Jetzt geht’s los.«
Marlene setzt zu einer ausführlichen Beschreibung der Simulationen an, und ich lasse das Gerede der beiden über mich ergehen, während ich mein Sandwich aufesse. Dann lege ich den Kopf auf die Tischplatte und trotz des Besteckgeklappers und des Lärms Hunderter Menschen um mich herum schlafe ich ein.
18. Kapitel
» Ruhe bitte!«
Jack Kang hebt die Hände und alle verstummen. Das ist ein Kunststück.
Ich stehe bei den Ferox, die zu spät gekommen sind und keinen Sitzplatz mehr gefunden haben. Ein Lichtstrahl blendet mich. Ein Blitz. Es ist nicht die beste Zeit für ein Treffen an einem Ort, dessen Fenster nur aus Löchern bestehen, aber das hier ist der größte Raum, den sie zur Verfügung haben.
» Ich weiß, viele von euch sind verwirrt und erschüttert von dem, was gestern passiert ist«, sagt Jack. » Ich habe viele Berichte gehört und die Angelegenheit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was eindeutig und klar ist und wo man der Sache noch auf den Grund gehen muss.«
Ich streiche mir die nassen Haare hinters Ohr. Ich bin zehn Minuten vor Beginn der Versammlung aufgewacht und zu den Duschen gerannt. Obwohl ich noch erschöpft bin, fühle ich mich wacher.
» Was noch genauer untersucht werden muss«, sagt Jack, » sind die Unbestimmten.«
Er wirkt müde– er hat dunkle Ringe unter den Augen und seine Haare stehen ab, als hätte er sie sich die ganze Nacht lang gerauft. Trotz der atemberaubenden Hitze in dem Raum trägt er ein langärmeliges Hemd, das an den Handgelenken zugeknöpft ist. Er muss nicht ganz bei der Sache gewesen sein, als er sich heute Morgen angezogen hat.
» Ich fordere alle Unbestimmten auf vorzutreten, damit wir es von euch selbst hören können.«
Ich werfe Uriah einen Blick zu. Das ist schwierig. Bisher musste ich immer verheimlichen, dass ich unbestimmt bin; es zuzugeben, bedeutete den Tod. Aber es jetzt noch verheimlichen zu wollen, ist sinnlos– sie wissen ja schon alles über mich.
Tobias ist der Erste, der vortritt. Er zwängt sich durch die Menge, und als die Umstehenden Platz machen, geht er mit erhobenem Kopf direkt auf Jack Kang zu.
Ich setze mich ebenfalls in Bewegung, murmle den Leuten, die vor mir stehen, Entschuldigungen zu. Sie weichen zurück, als würde ich ihnen etwas antun wollen. Ein paar andere treten vor, gekleidet ins Schwarz-Weiß der Candor, aber es sind nicht viele. Bei ihnen ist das Mädchen, dem ich geholfen habe.
Obwohl Tobias bei den Ferox geradezu berühmt-berüchtigt ist und ich jetzt von allen » das Mädchen, das Eric erstochen hat«, genannt werde, stehen nicht wir im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, sondern Marcus.
» Du, Marcus?«, fragt Jack, als Marcus in der Mitte des Raumes angekommen ist und sich auf die gesenkte Waagschale des Bodenmosaiks stellt.
» Ja«, sagt Marcus. » Ich verstehe, dass du in Sorge bist– dass ihr alle in Sorge seid. Vor einer Woche noch habt ihr nichts von den Unbestimmten gewusst, und selbst jetzt wisst ihr lediglich, dass sie immun sind gegen etwas, dem ihr hilflos ausgeliefert seid, und das ist beängstigend. Aber ich kann euch versichern, es gibt nichts, wovor ihr euch fürchten müsst, jedenfalls, was uns betrifft.«
Während er spricht, neigt er mitfühlend den Kopf und hebt ausdrucksvoll die Augenbrauen an, und mir wird plötzlich klar, weshalb manche Leute ihn mögen. Er gibt einem das Gefühl, man müsse nur alles in seine Hände legen, dann würde er sich schon um alle kümmern.
» Eines scheint mir klar zu sein«, sagt Jack. » Der Angriff auf uns diente dem Zweck, die Unbestimmten zu identifizieren. Kennst du den Grund dafür?«
» Nein, ich kenne ihn nicht«, erwidert Marcus. » Vielleicht wollten die Ken tatsächlich nur herausfinden, wer unbestimmt ist. Das zu wissen, ist nützlich für den nächsten Einsatz einer Simulation.«
» Nein, das war nicht ihre Absicht.« Die Worte sprudeln aus mir heraus, bevor ich überhaupt beschlossen habe, sie auszusprechen. Im Unterschied zu Marcus und Jack klingt meine Stimme piepsig und leise, aber ich kann jetzt nicht mehr aufhören. » Sie wollten uns umbringen. Und das haben sie auch vorher schon getan.«
Jack kneift die Augen zusammen. Ich höre ganz viele leise Geräusche; es sind Regentropfen, die auf das Dach
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