Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
würde ihn am liebsten schubsen.
» Lass das!«, sage ich. » Auffälliger geht’s ja wohl kaum.« Ich beuge mich vor und lege die Arme auf den Tisch. » Wills Schwester ist da drüben.«
» Ja, ich hab mal mit ihr geredet, wie man die Ken wieder verlassen könnte, als ich noch bei ihnen war«, sagt Zeke. » Während sie einen Auftrag für Jeanine ausführte, hat sie offenbar mit angesehen, wie eine Altruan umgebracht wurde, und von da an hielt sie es nicht länger dort aus.«
» Können wir sicher sein, dass sie nicht bloß für die Ken spioniert?«, fragt Lynn.
» Lynn, sie hat unsere halbe Fraktion vor diesem Zeug gerettet«, sagt Marlene und tippt auf den Verband an ihrem Arm. » Na ja, die Hälfte der Hälfte.«
» Es soll Menschen geben, die nennen das auch ein Viertel, Mar«, spottet Lynn.
» Und überhaupt, wen stört es, wenn sie eine Informantin ist?«, fragt Zeke. » Wir tun nichts, worüber sie die Ken informieren könnte. Und wenn doch, dann würden wir sie sicherlich nicht einweihen.«
» Hier gibt es jede Menge Informationen, die es zu sammeln lohnt«, sagt Lynn. » Zum Beispiel, wie viele wir sind oder wie viele von uns keine Transmitter injiziert bekommen haben.«
» Ihr wart nicht dabei, als sie erzählte, warum sie wegwill«, sagt Zeke. » Ich glaube ihr.«
Cara und Christina sind aufgestanden und verlassen den Raum.
» Bin gleich wieder da«, sage ich schnell. » Muss nur mal kurz auf die Toilette.«
Ich warte, bis Cara und Christina durch die Tür gegangen sind, dann gehe ich, nein, renne ich in die gleiche Richtung. So leise wie möglich öffne ich eine der Türen und schließe sie vorsichtig hinter mir. Ich bin in einem düsteren Gang, in dem es nach Abfällen riecht– hier muss der Müllschlucker der Ken sein.
Ich höre hinter einer Ecke zwei Frauenstimmen und schleiche mich ans Ende des Gangs, um besser lauschen zu können.
» Ich ertrage es einfach nicht, dass sie hier ist«, schluchzt die eine. Christina. » Ich muss immer daran denken… was sie getan hat… Ich verstehe nicht, wie sie das tun konnte!«
Christinas Schluchzen zerreißt mich fast.
Nach einer Weile antwortet Cara.
» Ich schon«, sagt sie.
» Wie bitte?«, fragt Christina und kämpft gegen ein Schluckauf.
» Man hat uns beigebracht, alle Dinge so logisch wie möglich zu betrachten«, sagt Cara. » Halt mich nicht für herzlos, aber das Mädchen war wahrscheinlich zu Tode verängstigt und gar nicht mehr in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen– wenn sie das überhaupt je war.«
Ich reiße die Augen auf. Was für eine – Im Geiste gehe ich eine Liste mit Beleidigungen durch, ehe ich weiter zuhöre.
» Und da Will in der Simulation gefangen war, konnte sie auch nicht vernünftig mit ihm reden; als er sie dann bedrohte, reagierte sie so, wie es ihr die Ferox beigebracht haben. Sie hat auf ihn geschossen, um ihn zu töten.«
» Was willst du damit sagen?«, fragt Christina verbittert. » Sollen wir einfach verzeihen und vergessen, weil alles so logisch ist?«
» Natürlich nicht«, antwortet Cara. Ihre Stimme zittert, aber nur ein bisschen, und sie wiederholt ihre Worte, diesmal ganz leise. » Natürlich nicht.«
Sie räuspert sich. » Es geht nur darum, dass du es in ihrer Nähe nicht so schwer hast. Du musst ihr nicht verzeihen. Ehrlich gesagt, wundere ich mich, weshalb ihr früher befreundet gewesen seid. Mir ist sie immer ein bisschen launisch vorgekommen.«
Gespannt warte ich darauf, dass Christina ihr zustimmt, aber zu meiner Überraschung– zu meiner Erleichterung– tut sie das nicht.
» Ist ja auch egal«, redet Cara weiter. » Du musst ihr nicht verzeihen, aber du solltest einsehen, dass sie es nicht aus bösem Willen getan hat, sondern aus Angst. Wenn du es so siehst, dann kannst du ihr ins Gesicht sehen, ohne ihr gleich eins auf ihre ungewöhnlich große Nase geben zu wollen.«
Ich fasse unwillkürlich an meine Nase. Christina lacht ein bisschen, was für mich fast wie ein Schlag in den Magen ist. Ich gehe wieder zurück in den Saal. Auch wenn Cara gemein war– und die Bemerkung über meine Nase war wirklich ziemlich mies–, bin ich ihr doch dankbar für das, was sie gesagt hat.
Tobias tritt aus einer Tür, die mit weißen Stoffbahnen verhüllt ist. Er schiebt das Tuch ärgerlich weg, dann kommt er auf uns zu und setzt sich neben mich an den Tisch.
» Morgen früh um sieben trifft sich Kang mit einem Abgesandten von Jeanine Matthews«, verkündet er.
» Mit einem
Weitere Kostenlose Bücher