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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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alles, was sie noch hatte. Er war ihr Vater!
    «Was ist mit Liran?», flüsterte er.
     
    Der Garten war leer und dunkel. Die Wesen hatten auch hier die Laternen zerschlagen. Nilah musste sich an ihrem Vater festhalten, damit ihr nicht die Beine wegsackten. Der kleine Junge blieb im Wohnzimmer stehen. Auf seinem Gesicht spiegelte sich ein undefinierbarer Ausdruck.
    Der Schneeregen hatte aufgehört. Auch draußen herrschte eine Stille, die man beinahe greifen konnte. Überall lagen Aschereste und verstreute Äste auf dem Rasen, sogar an der Wand des Schuppens, als wäre dort der graue Abdruck einer der Kreaturen festgenagelt worden. Es war das Schrecklichste, was Nilah je gesehen hatte. Sie wollte gerade Lirans Namen rufen, als es im Park gegenüber raschelte. Der Krieger trat zwischen den Bäumen hervor und stieg über die Planke. Er zog etwas hinter sich her, kam auf sie zu und ließ einen Schmerzbringer wie eine erlegte Beute ins Gras fallen.
    Nilah erblickte einen anderen Menschen. Schweißverklebt hingen ihm die langen, schwarzen Haare im Gesicht. Seine Augen funkelten wie kaltes Feuer. Der Pullover war vollkommen zerrissen und hing nur noch am Gürtel. Auf dem freien Oberkörper pulsierten noch immer die Tätowierungen. Die Wasser-und Feuerzeichen wanderten wie ruhelos umher. Hier und da drückte sich der Baum durch die Haut und hinterließ ein Muster aus blauer Rinde darauf. Aus den Schulterblättern zuckten blaue Federn hervor und verschwanden sofort wieder. Nilah begriff wohl zum ersten Mal wirklich, wer da vor ihr stand. Sie hatte ihn umarmen wollen. Sie hatte ihm danken wollen, doch nun ging etwas in ihr ganz leise und langsam auf Abstand. Dieser Mann tötete, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Angefüllt mit Magie. Und im Moment sah es aus, als mache ihm das sogar Spaß. Muskeln und Blut.
    «Ihr solltet nicht hier sein», sagte Liran kalt. Nilah konnte nichts antworten. Der Ausdruck in seinen Augen war wild, ungezügelt.
    «Sie waren schon an der Tür, als wir fliehen wollten», entgegnete Daan stattdessen. «Bist Du o.k.?»
    Liran legte den Bogen und die wieder eingesammelten Pfeile nieder. An dreien fehlten die Spitzen. Dann nickte er. «Das waren nur Kundschafter. Die hatten nicht 'mal ihre Dam ´Daru dabei. Sie sollten nur die Lage ausspähen, aber dann konnten sie sich nicht zusammenreißen. Ich habe neun erwischt, und wie ich sehe», der Krieger deutete auf Nilahs Vater, «Du auch einen! Sehr gut!»
    Neun! Nilah wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte. Da rührte sich der am Boden liegende Schmerzbringer . Sofort packte Liran ihn, schloss eine Hand um seine knöchrige Kehle, zog ihn hoch und setzte ihm mit der anderen Hand eine Steinklinge an die Brust.
    Jetzt, da Nilah und ihr Vater einen Schmerzbringer aus der Nähe sahen, wichen beide einen Schritt zurück. Wie eine Mischung aus verwitterten Ästen, an denen die Rinde sich ablöste und verschiedenen Häuten, die aus allem möglichen bestehen mochten, stand er da. Nilah hatte das klamme Gefühl, dass es teilweise menschliche Haut war. Der schmale Körper schien daraus geflochten zu sein. Die Beine dürr, fast sehnig, und die Kniegelenke zeigten nach hinten statt nach vorn, was ihn wie in einem ständig verharrenden Sprung aussehen ließ. Alles daran wirkte verwest und falsch. Die Augen lagen tief in den Höhlen des deformierten Kopfes, und sie waren eckig. Wie längliche Schießscharten, sie hatten jeweils vier ovale, grüne Pupillen, die sich in verschiedene Richtungen bewegen konnten und es auch taten. Keine Ohren und die Finger mehr wie Krallen, die krampfhaft geballt waren. Die Kreatur wirkte besessen und verschlagen. Doch dann trat Nilah vor, angetrieben von etwas, dass sie unbedingt wissen musste:«Was wollt Ihr von mir?» Sie zuckte zusammen, als das Wesen ihr seinen Kopf zuwandte. Ein höhnisches Grinsen entblößte eckige, rote Zähne, die wie die eines Hais aussahen. Nilah wurde übel. Keine Antwort, nur Grinsen. Ohne Vorwarnung hieb Liran dem Ding eine Faust in die Rippen und zerrte es zum Pool. Zuerst veränderte sich die Miene des Schmerzbringers nicht, aber als er merkte, wie nah sie dem Wasser kamen, zuckten seine Pupillen immer heftiger hin und her. Als sie am Rand des Beckens ankamen, zog Liran es wieder auf die Beine. Nilah konnte die blaue Farbe auf seinen Armen schimmern sehen.
    «Wo ist der Rest Deiner verfluchten Brut?», zischte der Krieger. Der Schmerzbringer zappelte aufgeregt mit den Füßen, um Halt zu

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