Die Bestimmung
finden. Erst jetzt sah Nilah, dass es große, breite Hufe waren.
«Warum soll ich sterben?», brüllte Nilah plötzlich.
Der Schmerzbringer war kaum zu verstehen. Die kehligen Worte waren zwischen dem Klackern kaum als Spache zu erkennen. Er lachte jetzt, jedenfalls hörte es sich so an.
«Nicht Du! Er!» verstand sie, und die Kreatur deutete mit einem kurzen Rucken seines Kopfes auf Liran.
«Wo ist der Rest von Euch? Wie weit entfernt?» Die Stimme des Kriegers war ganz ruhig geworden. Nilah überlief ein Schauer. Keine Antwort. Es öffnete seine Krallenhände und schloss sie wieder. Ohne ein weiteres Wort stach Liran zu, stieß dabei die Kreatur ins Wasser, drehte sich um und ging Richtung Haus. Nilah schlug die Hand vor den Mund. Sie sah die entsetzte Fratze fallen, mit den Armen rudern und wie die Krallen sich noch festzuhalten versuchten. Dann schlug es in das dunkle Wasser des Pools, sank wie ein Stein und eine Sekunde später tauchte eine Blase aus Ästen und grauer Asche auf und trieb auf den schwappenden Wellen. Einen Moment stand sie ungläubig da, dann drehte sie sich um, holte mit schnellen Schritten den Krieger ein, fasste ihn am Arm und zog ihn herum.
«Was sollte das?», rief sie.
«Er war ein Schmerzbringer ! Er hätte nichts gesagt, nichts verraten! Tot ist er mehr wert! Schlimm genug, dass einer entkommen konnte.»
Urplötzlich war aus seinem Blick aller Zorn verschwunden. Stattdessen lag eine tiefe Traurigkeit darin. Etwas, das sagte, es habe keine Lust mehr, in dieser nicht enden wollenden Spirale zu stecken, dass er wieder zurück nach Hause wollte. All jenes, was Nilah noch auf der Zunge lag, löste sich auf, und sie ließ es geschehen. Jetzt spürte auch sie, wie das viele Adrenalin sie erschöpft hatte. Sie seufzte tief, und dann gingen sie gemeinsam ins Haus. Ihr Vater nahm den Bogen und die Pfeile auf und folgte ihnen.
Sie würde nie wieder in diesem Pool baden können , dachte Nilah betrübt.
Sie saßen alle erschöpft da. Nilah fragte sich, wann die Polizei endlich auftauchen würde. Der Lärm war infernalisch gewesen. Irgendeiner der Nachbarn musste doch Alarm geschlagen haben. Doch kein Wagen fuhr vor, keine Polizisten mit dunkelblauen Uniformen standen vor der Tür und sagten, sie wären benachrichtigt worden und hätten jetzt gerne eine plausible Erklärung. Es passierte gar nichts. Und als Nilah das ansprach, sagte ihr Vater nur, dass die Rothmanns von nebenan im Urlaub seien. Mohamed sei anscheinend ebenfalls unterwegs. Sie hatten Glück gehabt.
«Und danke, dass Du das Ding vor der Haustür erwischt hast», schnaufte Nilah und erntete dafür einen fragenden Blick von Liran, als er müde den Kopf hob. Sie schilderte ihm kurz, was sie durch den Spion gesehen hatte.
Liran stand sofort auf, ging zur Tür, öffnete sie und sah sich angestrengt die Treppe an. Die beiden traten hinter ihn. Nilah merkte, wie sich der Krieger erneut anspannte. Die Zeichnungen auf seiner Haut bewegten sich nicht mehr, das Schimmern war zur Ruhe gekommen. Aber jetzt schien er sie innerlich zu benutzen. Er schloss die Augen, legte den Kopf schief und drehte ihn bedächtig hin und her. Sanft zog er die Luft ein und spitzte förmlich seine Ohren. Er machte ein paar Schritte auf die Auffahrt. Links und rechts beäugte er die hohen Hecken, dann kam er zurück.
«Das war ich nicht! Die Asche ist eindeutig von einem Schmerzbringer . Nur getötet hat ihn jemand anderes.» Eine Zeit lang hing diese Erkenntnis im Flur und rief Stirnrunzeln hervor.
«Wo ist eigentlich dieser Junge abgeblieben?», fragteDaan in die Stille. Liran riss die Augen auf.
«Welcher Junge?»
«Als ich nach Hause kam, stand da ein kleiner Junge. Er wollte unbedingt mit Nili reden, es sei sehr wichtig. Niklas hieß er, ja. Es würde um die Schule gehen, hat er gesagt.» Nilahs Vater mochte es nicht, sich rechtfertigen zu müssen. «Er sah völlig harmlos aus, ehrlich!»
Der Krieger trat ins Wohnzimmer. Wieder legte er den Kopf schief. Wie ein Wolf.
«Komm 'raus, Rätselfinder!», rief er laut.
«Rätsel was ...», fragten Nilah und ihr Vater fast gleichzeitig, als die Tür zum Arbeitszimmer leise knarrte und der Junge vorsichtig auf die Schwelle trat. Ein kleiner, süßer Kerl mit flachsblonden Haaren und einem Lächeln, das für jede Spendensammlung wie geschaffen war. Zögernd machte er einen Schritt ins Zimmer, aber er schien auf der Hut und behielt ausschließlich Liran im Auge. Ein orangefarbenes Glitzern huschte durch
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