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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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seine Pupillen.
    Der Krieger bewegte sich mit solcher Geschwindigkeit und so abrupt, dass keiner im Raum, der Junge eingeschlossen, reagieren konnte. Mit drei weiten Schritten war er bei ihm. Der Junge wollte noch schnell die Tür zuschlagen, aber Liran griff blitzschnell durch den sich schließenden Spalt und packte ihn. Plötzlich keifte der Kleine in einer Sprache, die Nilah noch nie gehört hatte. Sie war viel zu überrascht, um etwas zu sagen. Der Krieger hob den Jungen am Kragen hoch wie einen leeren Rucksack und donnerte ihn, mit dem Gesicht voran, gegen den Türrahmen. Nilah zuckte zusammen, als sie den dumpfen Aufprall hörte, und sah, wie der Junge zu Boden fiel und sich vor Schmerzen krümmte. Das war zu viel. Schmerzbringer töten, das ja, aber ein Kind misshandeln, das ging eindeutig zu weit.
    «Aufhören!», schrie sie und lief zu dem kleinen Kerl, doch Liran hielt sie mit ausgestrecktem Arm davon ab, zu ihm zu gelangen. Stattdessen trat er dem Jungen auch noch in die Seite, und Nilah kochte vor Wut.
    «Na los, Du kleine Ratte», knurrte der Krieger und deutete einen nächsten Tritt an, als aus dem kleinen, süßen Jungen plötzlich etwas anderes wurde. Nilah blieb ihr wütender Schrei im Halse stecken. Alles veränderte sich an dem Jungen. Die Kleidung verschmolz, die Haut verfärbte sich, die Gliedmaßen nahmen andere Formen an, und dann lag da etwas auf dem Fußboden, hielt sich mit den dunklen schmalen Händen eine lange abgeknickte Nase und fluchte etwas, das wie: «Die ist gebrochen, Du verdammter Fian!» klang. Seine Augen glühten jetzt vollkommen orange.
     
    Nilah wusste nicht, was da vor ihr saß. Es sah aus wie eine Mutation aus der Muppet-Show . Am ehesten fiel ihr dazu Gonzo ein, und da musste sie unwillkürlich lächeln, auch wenn das der Situation eigentlich nicht angemessen war. Auf dem eher kleinen Kopf hockte eine dunkle Pudelmütze, er hatte mindestens drei Lagen zu große T-Shirts an, einen BH als Gürtel um eine Sporthose gewickelt und mehr als vier Paar Socken an den Füßen, aber keine Schuhe. Anscheinend hatte der Kerl irgendeine Wäscheleine geplündert. Er war klein und drahtig, mit olivfarbener Haut, mit langen, schmalen Fingern und einem spöttischen Schmollmund.
    Liran war oben, während ihr Vater mit dem Speer auf den kleinen Kerl zielte. Liran hatte ihm eingeschärft, dass dieses ungewöhnliche Wesen seine Gestalt verändern konnte und dass er es nicht unterschätzen sollte. Er sei ein Handlanger A`kir Sunabrus, Es sei sehr wahrscheinlich, dass er dafür verantwortlich war, dass die Schmerzbringer so schnell herausgefunden hatten, wo Nilah und er sich befanden. «Wenn er sich bewegt, ramm ihm das ins Bein!»
    «Hast Du einen Namen?», fragte Nilah und beugte sich vor.
    «Ich hab Hunger. Hast Du Obst!», kam es zurück. Der Rätselfinder schielte abwechselnd zu ihr und ihrem Vater. Nilah stand auf und ging in die zerstörte Küche. Neben dem Kühlschrank fand sie noch eine Banane, und auf dem Fußboden lagen zwischen den Scherben noch ein paar Äpfel. Sie hielt sie unter den Wasserhahn und ging zurück.
    Die lange geknickte Nase schnupperte kurz an der gelben Frucht. Sofort aß er sie, mit Schale, Stück für Stück, wie ein Feinschmecker. Wieder musste Nilah schmunzeln.
    «Tok!», murmelte er dann zwischen zwei Bissen. «Mein Name ist Tok.»
    Liran kam zurück. Seine Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, und er steckte in einem himmelblauen, dicken Wollpullover ihres Vaters. Er setzte sich neben sie und sah Tok abschätzend an.
    «Wo sind die anderen?» fragte er kühl, aber beherrscht.
    Der Rätselfinder sah auf, als hätte er gar nicht bemerkt, dass Liran in den Raum gekommen war, und in seinem Blick schien etwas vorzugehen. Etwas, das nur zwischen ihnen beiden stand.
    «Sie liegen im Hafen. Es ist nicht leicht für sie. Die Stadt ist voller Wasser. Aber da Du jetzt ihre Vorhut aufgemischt hast, werden sie nicht lange zögern, die nächste Rotte loszuschicken. Und die werden ihre Dam ´Daru diesmal nicht vergessen.» Ein Grinsen flog über seinen mit Bananenresten verschmierten Mund.
    «Ohne Dich wüssten sie nicht einmal, wo wir sind», fuhr Liran ihn an.
    Tok kicherte und räkelte sich. Offenbar schätzte er bequemes Mobiliar, denn er piekte anerkennend ins weiche Polster.
    «Was glaubst Du, wozu der Einzige fähig ist? Es ist Deine Schuld, dass er weiß, wo sich das Mädchen befindet, dass seine Schmerzbringer jetzt im Hafen liegen und gierig die Zähne

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