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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Tänzer und hieb ihm die Steinaxt in den Rücken. Der Angreifer ging winselnd in die Knie. Ohne hinzusehen ließ Liran die zweite Axt in seinen Kopf sausen, worauf der Körper des Schmerzbringers in einer Wolke aus Ästen, Häuten, Schnüren und grauer Asche zerbarst. Nilah stockte der Atem.
    Zwei weitere Angreifer setzten über die Planke und sie sah, wie Liran dem einen etwas in die Brust warf und der Schmerzbringer Asche spritzend in das Fleet fiel. Nun zog ihr Vater sie gewaltsam fort. Sie mussten weg. Würde es zum Kampf kommen, hatte Liran mit ihnen abgemacht, sollten die beiden auf dem schnellsten Weg das Haus verlassen und sich in Sicherheit bringen. Er würde sie finden. Er würde sie überall finden.
    «Wir müssen sofort hier 'raus!», rief ihr Vater jetzt und riss sie mit sich. Der kleine Junge lief mit ihnen. Daan nahm den Autoschlüssel in die Hand.
    Nilah wusste, dass Liran es so gewollt hatte, und doch fühlte sie einen tiefen Verrat in sich. Sie ließen ihn allein dort draußen. Allein mit diesen entsetzlichen Kreaturen. Als sie die Haustür öffnen wollten, prallte etwas mit ungeheurer Wucht dagegen, so dass die Tür in den Angeln erzitterte. Dann zersprang klirrend ein Fenster in der Küche neben ihnen, Scherben wurden über die Fliesen bis in den Flur geschleudert. Hölzernes Klackern erklang. Aber noch stieg kein Wesen ein. Es schien vor etwas Respekt zu haben.
    «Sie denken, das durchsichtige Zeug ist aus Wasser», sagte der Junge auf einmal. Nilah blickte ihn fragend an. Er hatte eine schöne klare und sanfte Stimme. Doch der nächste Aufprall gegen die Tür ließ sie alle zusammenzucken. Ihr Vater nahm nun seinen Speer, den Liran ihm gemacht hatte. Ein gerader langer Ast aus dem Park, an dessen Ende eine gut fünfzehn Zentimeter lange Steinklinge befestigt war. Mit diesem Ding in der Hand machte er ein paar unsichere Schritte Richtung Küche. Glas knirschte unter seinen Schuhen. Nilah und der Junge stemmten sich gegen die Tür. Wenn Liran dort draußen verletzt oder gar getötet wurde, dann waren auch sie schon so gut wie tot. Nilah wollte nicht sterben. Wie ein belebender Atemzug rauschte ihr dieses Gefühl durch den ganzen Körper. Ich will nicht sterben!
    Mit allem Mut schaute sie durch den Türspion. Verschwommen sah sie die Einfahrt. Zwei große längliche Schatten huschten staksig über den Kies. Sie hörte die Scherben in der Küche brechen. Ihr Vater stand jetzt im Türrahmen und steckte langsam den Kopf in den dämmrigen Raum. Nilah sah wieder durch den Spion, und plötzlich kam etwas die Treppe hoch. Die Linse verzerrte das Bild. Es war, als schlage sie jemand fest mit der Faust gegen die Brust. Die Angst war gigantisch. Die Gewalt, die dieses Wesen ausstrahlte, drückte sich förmlich in ihr Herz. Es wirkte klapprig, als hätte man über ein geflochtenes Holzgestell eine beigegrüne fleckige Haut straff gespannt, mit schiefen, krummen Rippen. Nilah erinnerte sich, dass der Krieger gesagt hatte, sie seien aus einem heiligen Hain gemacht worden. Vorsichtig kam es die Treppe hoch und starrte böse die Leuchte an, die per Bewegungsmelder immer dann anging, wenn sich ihr jemand näherte. Klackernd und schnuppernd hob das Wesen den Arm, dann schlug es danach und tauchte die Einfahrt wieder in Dunkelheit. Keine Sekunde später warf es sich erneut gegen die Tür, und irgendetwas brach gleichzeitig mit Getöse durch den Rest des Küchenfensters. Ihr Vater brüllte, man hörte das Quietschen, als der massive Tisch über die Fliesen geschoben wurde. Sachen polterten zu Boden, Porzellan zersprang. Das Klackern war ohrenbetäubend, und mit der Angst schrie in Nilah nur noch ein einziger losgelöster Gedanke: Nicht mein Papa! Wieder polterte es gegen die Tür, Tränen rannen ihr über die Wangen ... dann war plötzlich alles still.
    Am ganzen Körper bebend sah Nilah durch den Türspion. Nichts. Sie lief in die Küche. Alles lag durcheinander. Ihr Vater lag am Boden, der Speer zitterte in seinen Händen. Er war mit Asche bedeckt. Ein paar Tränen wuschen helle Streifen auf sein Gesicht. Heulend fiel Nilah auf die Knie und umarmte ihn mit all der Kraft, zu der sie noch fähig war.
    «Ich habe es getötet», stammelte ihr Vater und blickte dabei auf die Speerspitze hinab. «Grundgütiger, ich habe es getötet…», jetzt konnte auch er nicht mehr. Er ließ den Speer fallen und schlang seine Arme um sie.
    «Sie sind weg, Papa. Ich glaube, sie sind weg!» Nilah wollte ihn nie wieder loslassen. Er war

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