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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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und in selbstgesuchten, einsamen Augenblicken der Seele des Wassers so nahe sein, dass man alle Sorgen dabei vergaß. Wie oft hatte sie am Kanal im Gras gesessen, sein Vorbeiziehen wie ein pendelndes Metronom beobachtet, solange bis sie glaubte, sie habe dieselben Gedanken wie der Fluss. Nur nachts war sie noch nie durch die Fleete geschippert. Das tiefschwarze Wasser wirkte mit einem Mal sehr viel unheimlicher. Sie sah Liran an und ihren Vater, wie sie das hölzerne Kanu, das nach indianischem Vorbild gebaut worden war, zum Fleet hinunter schleppten. Die beiden bugsierten das lange Ding durch die Bäume hindurch und setzten es vorsichtig in den Kanal. Mühelos balancierte Nilah sich nach vorn. Der Krieger nahm im Heck Platz. Ihr Vater reichte ihnen die Paddel. Er sollte mit dem Auto zum Museum fahren und sie dort treffen. Liran hatte den Verdacht, dass noch jemand in diese Auseinandersetzung verwickelt war. Zwei verschiedene Fahrtwege führten dazu, dass sich diese Gegner dann ebenfalls aufteilen mussten. Doch in Nilahs Kopf waren auch noch ganz andere Dinge. Dort lungerten jetzt Toks Worte herum, wie schnelle Schritte in einer einsamen Gasse, nach denen man sich furchtsam umdrehte. Nilah hatte den kleinen Kerl laufen lassen, auch wenn sie nicht wusste, ob es richtig gewesen war. Aber es fühlte sich so an.
    Wie konnte es ein solches Wesen überhaupt geben? Wie konnte man mit einem Rätselfinder, der sich in den Sessel fläzte wie ein zu mickerig geratener Mafiaboss, ein ernsthaftes und wichtiges Gespräch führen? Und wie sollte man damit umgehen, wenn man in diesem Gespräch einen Rat bekam, Leben und Tod in nur einem Atemzug zu vereinen? Wie sollte man die Geburt eines solchen Menschen wie A´kir Sunabru wirklich verstehen und ihm damit ein Leichentuch über die Schultern legen?
     

Wasserwege

    Daan schaute sich vorsichtig um. Die Straße lag vollkommen harmlos da, und hätte nicht irgendwer gerade den Müll herausgebracht, so wäre es mucksmäuschenstill gewesen. Das Auto war manipuliert worden, es sprang nicht mehr an. Dann eben anders , dachte er. Er kroch durch die Hecke und sah in der Garage nebenan Licht brennen. Daan ging zur Seitentür, wo Kartons mit Motoröl und Farben standen und klopfte an: «Mohamed, bist Du da?»
    Von drinnen hörte man wüste Rockmusik und ein Summen, das abrupt stoppte. Dann schwere Schritte. Sekunden später erschien ein Gesicht im Türspalt. «Daan?»
    Mohamed war knapp zwei Meter groß und hatte eine Stirnglatze, was ihn nicht davon abhielt, den Rest seiner Haare am Hinterkopf auf eine beachtliche Länge wachsen zu lassen. Er hatte Totenkopfohrringe, und um seinen Hals baumelte die Kette einer silbernen Harley Davidson , auf deren Tank der Name Irmi graviert war. Mohamed war Kieferorthopäde.
    Daan schlüpfte durch den Spalt. Augenblicklich nahm er den Geruch von Benzin, Schmieröl und Sägespänen wahr. Mohamed klopfe ihm auf die Schulter und machte eine einladende Geste Richtung Werkbank.
    «Na, Du alter Haudegen, wie geht es Dir? Willste n´ Bier?»
    Daan war versucht, Smalltalk zu halten, so wie sie es immer taten, wenn sie sich auf die Werkbank fläzten und Bier tranken, während der eine von Kameraeinstellungen erzählte und der andere vom Verfall der Zahnkultur in der westlichen Hemisphäre.
    «Ich hab leider keine Zeit, Mohamed», Daan blickte sich verzweifelt um. «Sag, kann ich mir die 'mal leihen?», fragte er schnell, wobei er auf eine 64er Indian zeigte.
    Mohamed verschluckte sich an seinem Bier und hustete so heftig, dass Daan ihm auf den Rücken klopfen musste.
    «Du willst was? Du bist nur ´n Schlacks in Schuhen, Mann, wie willst Du die denn halten, hm?» Mohamed stutzte plötzlich. «Und außerdem, was willst Du denn damit machen? Wohl keinen Film 'drüber drehen, nehme ich an. Rück raus mit der Sprache, Daan.»
    Daans Gedanken liefen heiß, aber er konnte keinen plausiblen Satz bilden, während Mohamed ihn anstarrte.
    «Meine Tochter ... retten», murmelte er.
    «Deine was ... grummel grummel, sprich deutlich, Mann»
    «Meine Tochter retten!».
    Mohamed stand da und sagte zunächst kein Wort. Dann griff er nach einem Helm und warf ihn Daan zu. «Nilah? Ich fahre!», sagte er knapp.
    Die beiden Männer schwangen sich auf die Maschine.
    «Kannst Du damit jemanden abhängen?», fragte Daan, stülpte den Helm über und umschlang mit beiden Armen Mohameds gutmütigen Bauch.
    «Damit kann ich übers Wasser fahren!», schrie Mohamed, als die Maschine startete. Es

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