Die Bestimmung
alles bedacht! Die Mauern würden fallen, wie einst jene von Jericho unter den Posaunen des Herrn. Fortgespült die Abartigkeiten, die in diesem Gebäude wohnten. Wo den primitiven Gegenständen der Neger gehuldigt wurde, die Gott, der Herr nicht auf dem Angesicht seiner Schöpfung haben wollte. Wo alten Kulturen und ihren blasphemischen Göttern eine widerliche Plattform bereitet wurde. Wo Bücher existierten, die dem Glauben ins Gesicht spuckten. Das hatte Gott so nicht gewollt!
Ein Mädchen schlich dort herum, das der Satan geschickt hatte, um die ganze Welt in eine Lüge zu verwandeln. Und jener Bote desselben, der sie auch noch beschützte.
Langsam, ohne jede Eile verließ er den Keller, blieb noch einen Moment stehen und lauschte dem Klang seines Mutes – seinem tapfer schlagenden Herzen. Er überprüfte die Sprengstoffweste unter seinem Jackett und war sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis. Er würde das Mädchen dorthin zurückschicken, von wo es kam, und wenn möglich, ihren bocksbeinigen Beschützer gleich mit. Lächelnd stieg er nach oben.
Nilah stand im Restaurant. Es war ein großer, fast quadratischer Raum, der schwarz gefliest war. Gleich links neben ihr war eine moderne weitläufige Theke, die wie ein eckiges Hufeisen den hinteren Teil beherrschte. Der Raum stand voller Tischchen. Alle mit weißen kleinen Tüchern gedeckt, mit roten Teelichtern und roten Speisekarten versehen. Weiter hinten befand sich der Andenken-Shop. Für einen Moment war alles gespenstisch ruhig. Vorsichtig, mit stockendem Atem schaute Nilah nach oben und glaubte, aus den Augenwinkeln einen Schatten gesehen zu haben. Ein Knall, laut und dumpf, hallte durch den Raum und brachte das Geschirr zum Klirren. Auf dem weißen Tuch der Restauranttische bemerkte sie jetzt ganz deutlich einen Schatten. Im nächsten Moment sprang der Schmerzbringer durch die Scheiben und landete mit einem Schwall aus Scherben mitten auf der Theke, wo er sich federnd erhob und sie anstarrte.
Ein seltsames Gefühl durchstreifte Nilahs Gedanken: Treibjagd! Dann rannte sie durch den Ausgang. Es folgten die beiden düsteren, vertäfelten Räume, in denen wie zum Kontrast leuchtende Stickereien der Maya auslagen. Sie gelang durch das Marmortor wieder in die Eingangshalle, wo sie mit weit aufgerissenen Augen Liran verfolgte, wie er plötzlich in einem Schweif aus blauen Linien in die geschlossenen Eichentüren des China-Traktes krachte und alles aus dem Weg riss. Nur eine Sekunde später sah sie ein Ungetüm durch die Halle schreiten, das aussah, als hätte man versucht, einem verbrannten, riesigen Baumstumpf halbwegs menschliche Konturen zu verpassen und wäre damit niemals wirklich fertig geworden. Mit einem Ascheschnaufen setzte er Liran nach. Nilah wartete nicht ab, sondern rannte nach links die Treppe hinauf in die große Kuppelhalle. Von dort aus huschte sie in den nächsten Saal, in dem ein Prinzenhaus aus Bali den Raum beherrschte. Nilah hatte eine Idee! Dieser Trakt war von einer in der Mitte den ganzen Raum durchzogenen Glaskonstruktion geteilt, in der ganze Wohneinrichtungen, Wandteppiche, Paravents und aufwendig geschnitzte Königssänften den Blick auf sich zogen. Als sie sich durch eine Lücke hinter dem Prinzenhaus an der Wand entlangschlich, hatte sie damit Zeit gespart. Wenn der Schmerzbringer sie suchen wollte, musste er erst einen Blick in die Hütte werfen, bevor er sicher sein konnte, ob sie dort war oder nicht. Nilah zog ihre Schuhe aus, umklammerte sie fest und tappte geduckt den Gang zurück zur Halle. Ihr Atem ging schwer und ihre Beine taten weh. Sie hörte, wie die Hufe des Wesens auf der anderen Seite des Traktes aufsetzten, es nach ihr schnupperte. Sie sah seinen Schatten an sich vorüberhuschen. Der grässliche Kopf ruckte suchend hin und her. Sollte das hier wirklich eine Treibjagd sein, würde sie ihnen einen Strich durch die Rechnung machen.
Liran versuchte, die Magie zu kontrollieren, sie in eine Richtung zu lenken, aber er wurde nur noch grob beiseite gestoßen. Seine Arme und Hände brannten, in seinen Schultern knisterte es, als würde er in einem gefrierenden See stehen. Er fühlte, wie er zu rennen begann, auf das Wesen zu, das Sunabru in seinem Wahn erschaffen hatte – dann kam der Aufprall.
Als Akkosh und der Blutbaum ineinander liefen, war der Lärm ohrenbetäubend. Ein Klang, den die Welt noch nie gehört hatte. Doch die Magie war machtlos, als vier Schmerzbringer an ihm vorüberschritten und hinter ihm in
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