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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Richtung Eingangshalle verschwanden. Der Blutbaum drehte seine mächtigen, verzwirbelten Arme zurück, um sie dann wie einen vorschnellenden Rammbock gegen seinen Körper schlagen lassen.
    Liran spürte, wie sich alle Sinne in ihm zusammenzog und in Deckung gingen, außer Akkosh, der alle Kraft seines Stammes auf den Brustkorb konzentrierte. Mit einer gewaltigen Wucht wurde Liran nach hinten geschleudert, und er fühlte, wie die Eiche versuchte, ihre Wurzeln in den Boden zu treiben, um Halt zu erlangen. Doch der Schlag war zu kraftvoll. Schon traf ihn der nächste, er segelte in einem weiten Bogen durch die Eingangshalle und schlug in zwei hölzerne Flügeltüren. Die Türen splitterten aus den Angeln, donnerten dröhnend zu Boden. Holzsplitter flogen umher und Liran begriff, dass, wenn er jetzt nicht auf die Füße kam, er nie wieder auf die Füße kommen würde. Der Blutbaum schritt durch die Halle und kam die Stufen herauf. Nichts an ihm ließ auf etwas hoffen, das vielleicht Respekt oder gar ein Fünkchen Angst vor dem Gegner erkennen ließ. Nur Hass und der Wille zu töten. Hatten ihn auf seiner Insel noch das Schwert und Akkoshs unverbrauchte Kräfte beschützt, so musste er nun einsehen, dass der Dam ´Daru wohl mehr von dessen Kraft geraubt hatte, als er gedacht hatte.
    Liran sah sich um und erstarrte für einen Moment. Vor ihm standen hunderte, sandverstaubte Krieger. Mit ausdruckslosen Minen sahen sie ihn an und bewegten sich nicht. Sogar vier Pferde konnte er zwischen ihnen erkennen. Er drehte sich um, als der Blutbaum ihn umfasste und mitten in die fremden Krieger drückte, die wie Tonkrüge auseinander polterten, zu Boden stürzten, zersprangen und ohne jede Gegenwehr zu dutzenden starben. Starke Äste schossen aus Lirans Seite und umklammerten den Feind, der sich sofort herauszuwinden versuchte. Doch immer mehr Äste wickelten sich nun um den Blutbaum . Plötzlich verfolgte Liran, wie die Wassermagie sich aufmachte, in dieses verkohlte Holz zu kriechen, langsam und bedrohlich. Der Blutbaum dröhnte seine Wut heraus. Es hörte sich an, als würde ein Horn erklingen, das tausend Töne gleichzeitig von sich gab. Doch Akkosh ließ nicht mehr los, während die beiden so zerstörerisch hin und her taumelten und alles um sie herum zu Staub verwandelten. Glas flog umher. Artefakte zerbrachen unter ihren schwerfälligen Schritten, Vitrinen barsten, Wände bröckelten, der Boden bekam Risse. Dann packte er zu. Seine Hände, die nicht länger Hände waren, sondern uralte Wurzeln, umschlossen den Kopf des Blutbaumes . Er fühlte, wie das Wasser unter seiner Haut an den Innenseiten seiner Arme entlang lief, durch die Kapillare der Eiche bis hinauf in seine Finger. Es drang in den Schädel des Blutbaumes , verzweigte sich wie ein Delta in ihm, verharrte, als würde es kurz tief Luft holen und gefror dann schlagartig. Mit einem knarzenden Ton zerplatzte der unheimliche Schädel vor ihm und zersprang in tausend Stücke. Der grausige Laut aus dessen Maul riss abrupt ab, hinterließ eine unwirkliche und zugleich tosende Stille. Liran war geschockt. Langsam glitt er zu Boden.
     
    So leise sie eben konnte und so weit es ihre Beine zuließen, schlich Nilah den gesamten Weg zurück. Jedes Mal, wenn sie glaubte, etwas zu hören, hielt sie inne, presste die Lippen aufeinander und horchte in die düsteren Gänge hinter und vor sich, bis ihre Lunge sie wieder zum Luftholen zwang. Dann stand sie neben dem hölzernen Torbogen, und ihr Blick versuchte, jeden Schatten zu finden, der sich bewegen könnte. Vor ihr lag eine weite Fläche aus Marmor und der Kuppelsaal, den man ‚das Dach aller Kulturen‘ nannte. Dort waren alle menschlichen Versuche, sich über Wasser zu halten, an den über zehn Meter hohen Wänden befestigt. Vom groben Einbaum bis zum mit Seitenauslegern versehenen Minischiffen war alles vertreten, das den Menschen einst über die Wellen getragen hatte. Dort genau gegenüber, etwa dreißig Schritte entfernt, war der nächste hölzerne eckige Torbogen. Dort war Europa !
    Nilah war erstaunt, dass man sein eigenes Herz so deutlich spüren konnte. Sie fühlte, wie es durch den ganzen Körper wummerte. Bestimmt waren die Herzschläge im ganzen Museum zu hören. Sie hockte neben dem Durchgang. Dröhnend und krachend kam ein Lärm aus dem Untergeschoss, dass sie ihre Knie gegen den Kopf drücken musste, um in dieser Welt zu bleiben.
    Durch die zerbrochenen Fenster fiel fahles Licht. Gleich rechts war der Aufgang der

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