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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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sachte, ohne sich zu verraten, als sich plötzlich eine Klauenhand um ihren Mund schloss, sie packte und nach hinten zog.
     
    Liran sah einen Gedanken, der wie eine rot schimmernde Muschel ganz weit entfernt in der Tiefe trudelte. Er wollte nach ihm greifen, doch etwas hielt ihn zurück.
    Das war nicht mehr nur Magie, dies war eine andere, in sich geschlossene Persönlichkeit, die Liran in sich spürte, und das machte ihm mehr Angst als der Kampf gegen den Blutbaum . Zwischen all dem wabernden, magischen Blau zeigte sich für einen Atemzug etwas, von dem er wusste, dass es nicht dort hingehörte. Es züngelte, schlich geradezu spielerisch an einer seiner Adern entlang, so schnell, dass er ihm kaum folgen konnte. Dann war es wieder fort, wie ein Ton, den man im Wald vernahm und Sekunden später außerstande war, ihn jemandem zu beschreiben. Die Note war noch im Kopf, hallte nach, aber sie konnte nur in einem verzweifelten, fernen Blick enden.
    Für einen vollkommenen Moment schloss er die Augen und hörte das ganze Gebäude um sich herum. Der Krieger lächelte gedankenverloren. Jeder Raum, jede Biegung, all die Winkel, Vitrinen und deren Inhalt, alles erschien blitzend gleich direkt hinter seinen Lidern. Unverkennbar. Absolut! Wie eine Karte. Wie wunderschön das alles war. Wie berauschend schnell.
    Dann öffnete er die Augen.
    Der Schrei blieb in jener Hand stecken, die sich um ihren Mund schloss. Schnaufend atmete Nilah nur noch durch die Nase. Seile, so geschwind wie eine plötzliche Bö, umschlangen ihre Arme und Beine, sie spürte den Druck der Knoten auf ihren Handgelenken und an ihren Knöcheln. Tausend Gedanken kamen über sie. Die schlimmsten von ihnen drangen mitten in ihre Muskeln und Sehnen. Sie begann zu zappeln wie ein Fisch, den man an Land gezerrt hatte.
    Alles verbog sich in ihr. Viele Hände hielten sie nieder. Sie schluchzte kurz und kämpfte weiter, aber es war ein Kampf gegen ihren eigenen Atem. Er begann sich zu verkrampfen, kam nur noch stockend und machte sich ganz flach. Ihr Blick irrte durch die Jurte. Über ihr tauchte ein Gesicht auf. So nah hatte sie diese Wesen nie gesehen. Der Schmerzbringer hockte sich langsam neben sie, und Nilahs Pupillen folgten ihm. Sie sah aus nächster Nähe, wie sich seine Knie nach hinten anstatt nach vorne knickten. So kauernd sah die Kreatur aus, als hätte sie keinerlei Unterleib.
    Die Fratze beugte sich über Nilah und hatte fast einen interessierten Blick in den schmalen, länglichen Augen. Nilah stieg der Gestank von Leder und Verbranntem in die Nase. Dann legte das Wesen den Kopf mal auf die eine und wieder auf die andere Seite, kam 'mal dichter heran und zog sich wieder zurück, so als mustere es ein Stück Fleisch nach seiner Güte. Es schnupperte an ihr. Dann schnaubte das Wesen. Es klang fast enttäuscht.
    Wortlos holte der Schmerzbringer etwas aus derTasche eines Beutels, der an seiner Hüfte baumelte, faltete es bedächtig auseinander und hielt es genüsslich vor sich. Ein Spinnennetz, in dem mehrere daumennagelgroße Spinnen aufgeregt umherkrabbelten. Nilahs Atem wurde noch schneller und lauter. Wieder versuchte sie, sich zu bewegen, doch es half nichts. Mit einem widerlichen Grinsen warf der Schmerzbringer ihr das Spinnennetz über das Gesicht, während die Hand über ihrem Mund schnell weggezogen wurde.
    Nilah spürte auf ihrer Haut, wie sich etwas um ihren Kopf legte, klebte und sich verhakte. Das Netz wuchs binnen Bruchteilen über sie, und sie sah, wie die Unterbäuche der Spinnen über ihre flatternden Augen hinweghuschten und immer neue Fäden spannen. So stramm und fest, dass sie glaubte, jeden Augenblick würde ihr Kopf in den Fußboden des Zeltes brechen.
    Nilah presste die Lippen fest aufeinander. Der Gedanke, eines dieser Dinger könne dort hineinkrabbeln, machte sie wahnsinnig.
    Der Schmerzbringer schien zufrieden mit der Angst, die Nilah durch ihre Nasenlöcher blies, denn er gab so etwas wie ein Lachen von sich, das klang, als habe man ihm den Kehlkopf zerrissen. So sprach er auch. Rau und wie durch ein kleines, verzerrtes Mikrophon.
    «Ah, so lange warst Du fort, aber nun werden wir Dein Königreich stürzen!» Nilah starrte auf den dreieckigen Mund, aus dem widerliche, spitze Zähne stachen. Königreich? Stürzen?
    Sie fühlte, wie ihr der Pullover hochgeschoben wurde, und wieder kämpfte sie mit jeder Faser dagegen an. Vor Anstrengung traten ihr Schweißperlen auf die Stirn. Nilah bemerkte zu ihrem Entsetzen, dass die Spinnen

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