Die Bestimmung
als plötzlich ein fleckiger Kombi in Sicht kam, dunkle Wolken aus dem Auspuff stoßend und so sehr mit Rostschutzfarbe bestrichen, dass man kaum noch die ursprüngliche Lackierung erkennen konnte. Das Auto hustete, rasselte und kam endlich mit einem Satz neben ihnen zum Stehen. Der Motor ging aus, aber er erwachte kurz und trotzig einen Moment danach wieder, lief weiter, bis er mit einem letzten metallischen Glucksen endlich aufgab. Die Fahrertür klemmte anscheinend, denn aus dem Seitenfenster kam jetzt ein Arm und zog die Tür mit einem Quietschen von außen auf. Der Mann, der ausstieg, war groß und schlaksig. Über zwei kleinen blassgrauen Augen waren mächtige Brauen, zottelig wie Dornenbüsche. In seinem sonst auffallend glatten Gesicht lag eine unterschwellige Unsicherheit.
Erst jetzt bemerkte Nilah den kleinen weißen Streifen in seinem Hemdkragen, der ihn als katholischen Priester auswies.
«Bei allen Heiligen dieser Welt», brummte er. Seine raue Stimme klang, als hätte er Rollsplitt auf den Stimmbändern. «Der Allmächtige ruft diesen Wagen bald zu sich, soviel ist sicher.» Dann wandte er sich an Nilah und ihren Vater und lachte bellend.
«Hab' den Wagen vom alten O´Brien geliehen», knurrte er und zeigte mit dem Daumen auf das verdammenswerte Objekt hinter sich.
«Dass dieses unselige Vehikel schon so kurz vor den Toren des Herrn steht, hat er natürlich vergessen zu erwähnen. Aber Hallo erstmal. Ich bin Pater Skelling.» Er schaffte es irgendwie, beiden die Hand hinzuhalten.
Nilahs Vater, der völlig verwirrt dastand, griff ins Leere und sah zu, wie der Priester die Hand seiner Tochter ergriff und kräftig schüttelte.
«Du kannst mich Aaron nennen», sagte er zu ihr und tätschelte ihre Wange mit einem Grinsen, wobei er die Worte: Welch schöner Engel gebrauchte. Dann drehte er sich wieder zu ihrem Vater um: «Packt eure Sachen einfach hinten 'rein.» Die Hand gab er Daan nicht mehr. Der Priester hievte knarrend die Heckklappe des Volvo nach oben. Er musste sie festhalten, damit sie nicht wieder zufiel. Die beiden luden so schnell wie es ging ihre Sachen in den Kofferraum, zwischen Angelzeugs, einem verbeulten Benzinkanister, einigen verstreuten Werkzeugen und mehreren Holzkisten, in denen verkorkte Flaschen mit honigfarbener Flüssigkeit vor sich hin klirrten.
Als sie endlich saß, spürte Nilah jede Feder, die sich unangenehm in ihren Po drückte. Der Sitz war so durchgesessen, dass man das Gefühl hatte, fast auf der Straße zu hocken, als das Gefährt qualmend und spuckend seine Fahrt aufnahm.
Was Nilah dann erlebte, konnte sie nie wieder in rechte Worte fassen. Es war kein Déjà-vu, das oft genauso schnell kam, wie es auch wieder verging. Es war völlig anders.
Das Land, dieses ungewöhnliche Land, sickerte durch ihre Augen, die gar nicht wussten, wohin sie blicken sollten, so fremd und schön war das, was sie durch die schlierigen Scheiben sah. Sie kurbelte das Fenster herunter und als die Kombination von Wind und Land sie erreichte, da fühlte sie sich wie benommen. Die Luft roch plötzlich so verwirrend vertraut, dass es beinahe weh tat, sie in die Lunge zu saugen. Das Grün, so satt und gleißend, als wäre es die fließende Haut eines Tieres, das sie einst gestreichelt, auf dessen Bauch sie lauschend gelegen und beim Heben und Senken seiner Brust die Zeit verträumt hatte.
Vorn redete der Pater auf ihren Vater ein. Ziemlich viele Heilige rief Skelling an, um zu beschreiben, was er so den neuesten irischen Stand der Dinge nannte. Sie sah ihren Vater immer wieder gequält nicken, während seine Hände sich in den Sitz krallten. Der Pater fuhr ungemein sportlich und profitierte eindeutig von dem eher dünnen Verkehr in diesem Teil der Insel.
Nilah hatte eigentlich immer das Gefühl gehabt, Irland sei ein mit würzigem, grünem Pesto bestrichener Pfannkuchen, der höchstens hier und da eine Blase hat, welche in die Höhe ragt. Aber dem war nicht so. Nilah sah Täler so tief, dass man fühlen konnte, wie einst das tonnenschwere Eis durch sie gewandert war. Berge, die in den niedrigen Wolken hingen wie die knochigen Schultern eines geheimnisvollen Fremden. Nun, das hier war nicht der Himalaja, aber diese Berge hatten eine mystische Ausstrahlung. Hier kroch Fantasie aus jedem Schatten, den die Wolken über das Land streuten. Und das Licht war einfach nicht zu beschreiben. Nilah wusste nicht wie ihr geschah. In diesem Land wohnte eine verborgene Kraft. Man konnte sie körperlich
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