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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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sein? Was haben meine Augen nie gesehen? Nie geahnt und nie erlebt?
    Das Land um sie herum war rau, aber gleichzeitig von einem einzigartigen Charisma durchzogen. Die Berge, über welche die Wolken schnelle Schatten zogen. Knorrige alte Wäldchen, verstreut und geheimnisvoll, wissend und ruhig. Weit unter ihr, ein See so dunkelblau, als wäre ein Stück des Abendhimmels in das grüne Tal gestürzt, um sich dort auszuruhen. Der allgegenwärtige Wind, der ihre Haare zerwühlte und nach Tang und Salz roch. Nirgendwo eine Menschenseele. In Hamburg waren sie immerzu da. Kaum ein Ort, an den man gehen konnte, um für sich zu sein. Aber hier war das anders. Nilah glaubte, sie wäre der einzig übrig gebliebene Mensch auf Erden in dieser wilden Weite.
    Als sie endlich das Meer erblickte, glaubte sie, an dessen Schönheit fast zu zerbrechen. Wie betäubt setzte sie sich und bestaunte die riesigen Wellen des ungestümen Atlantiks unter sich, der nichts weiter tat, als seinen wässrigen Leib immer und immer wieder empor zu heben und seine schäumenden Muskeln gegen die Felsen zu schmettern.
    Nilah bekam eine Gänsehaut. Möwen kreischten taumelnd im Wind. Es war wie in einem Theater, auf einem der hohen Ränge. Man konnte über die gesamte Bühne der Schöpfung blicken. Die Farben verwirrten, so intensiv waren sie. Das blaugrüne Meer, das aussah, als wolle es manchmal schwarz sein. Die tiefgrünen Hänge, durchdrungen vom torfigen Braun. Die grauen Felsen, die dazwischen ihre Knöchel erhoben.
    Wie könnte man ein solches Land je vergessen? , dachte Nilah. Wenn man ehrlich zu sich war: Niemals! Lange saß sie dort oben, fror manchmal ein wenig und tippte immer wieder denselben Song an. Es war wie ein sehr langes, sich wiederholendes Mantra. Es war eine Zwiesprache mit jemandem, den Nilah nicht kannte, aber dennoch tief vertraute. So , dachte sie, muss wohl die Liebe sein.
     

Die Wege des Unmöglichen
    Die Schmerzen waren unbeschreiblich, unnatürlich. Und sehr qualvoll. Aber es war nicht zu vermeiden, wollte man, dass der Zauber zu einem zurückkehrte.
    «Du bist nicht länger allein», hauchte Nainsi. Etwas Weiches und Pelziges schmiegte sich um seinen Nacken. Seltsamerweise tat es sogar gut.
    «Lass das!», brummte der Krieger. Es war schon bedrängend genug gewesen, dass sie sich nicht verscheuchen ließ, als er sich gewaschen hatte. Wobei ihm aufgefallen war, dass einige der blauen Zeichnungen auf der Haut geblieben waren.
    «Ich habe einen Namen.», schallte es in sein Ohr, dann knabberte etwas an dem dazugehörigen Läppchen und war sofort wieder verschwunden.
    Der Krieger zog sich weiter an. Das ungute Gefühl, er würde mit dieser Kleidung womöglich etwas zu sehr auffallen, ging ihm durch den Sinn. Nun, er würde eben nur in der Dunkelheit die heilige Höhle verlassen. Aufsehen, durch was auch immer, musste er vermeiden.
    «Nackt ... bist Du mir lieber.», seufzte die Stimme. Dann folgte eine Stille, die von einem plötzlichen Hufscharren begleitet wurde. Anscheinend wechselte Nainsi ihre Gestalt je nach Stimmung.
    «Wozu diese blinden Narren beschützen?» Die Worte klangen nun hart, sehr hart. «Den Menschen folgt nichts Gutes, sie ...»
    «Ich bin einer von ihnen, vergiss das nicht.»
    Schweigen.
    Plötzlich stand etwas Großes vor ihm. Er konnte den warmen Atem fühlen, so nah, dass er zurückwich. Er hasste es, wenn sie das tat.
    «Nein, das bist Du nicht!», hauchte Nainsi ihm entgegen. «Das warst Du nie!» Ihr Lachen ertönte hell und entfernte sich rasend schnell.
    Kopfschüttelnd steckte der Krieger seine Waffen ein und machte sich auf den Weg. Ein Teil der Magie, die Enya in ihn gepflanzt hatte, war dem Mädchen gefolgt. Nun folgte er der Erinnerung daran.
    Das Haus sagte ihm nichts, aber der Boden, auf dem es stand, tat es. Die Druidin hatte ihm den ewigen Ort und die Höhle einmal gezeigt, an dem sich alles in Gang setzen würde, sollte es den unwahrscheinlichen fernen Tag geben, an dem der Friede erneut gestört werden sollte.
    Er hockte sich zwischen ein paar Felsen, die von hohen Bäumen und Büschen durchbrochen waren. Der Wind ließ die Blätter rascheln. Er spürte unter sich den ruhigen gleichmäßigen Schlaf seiner Insel. Unaufhörlich drängten sich Fragen in seine Gedanken. Wie viel Zeit war vergangen? Nainsi hatte es ihm nicht sagen wollen. Überhaupt benahm sie sich noch störrischer, launischer und anzüglicher, als er das von ihrer ersten Begegnung her in Erinnerung hatte. Wahrscheinlich

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