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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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geschickt wurde, dem sein Chef nahegelegt hat, an sich zu arbeiten, der aber selbst überhaupt keinen Bock darauf hat und sich höchstens darüber aufregt. Nein, ich denke nicht, dass etwas daraus wird.«
    Sie essen. Peter geht in sein Arbeitszimmer, um ein Seminar vorzubereiten. Suzan sitzt untätig auf dem Sofa. Erstaunlich, dass andere sich offenbar mit dem befassen, was ich tue oder lasse, denkt sie. Und irritierend. Der Vorhang muss schnell wieder zugezogen werden. Ich bin besser für mich allein. Ist schon alles kompliziert genug. Sie sollen mich in Ruhe lassen.
    Die Zeit verstreicht, während sie reglos vor sich hin starrt. Ich warte, denkt sie, ich warte darauf, dass ich ins Bett gehen kann, und dort warte ich darauf, dass ich wieder arbeiten gehen kann. So ist es.
    Die Klingel. Ob das Drik ist, so spät noch? Der Klingelton schrillt durchs Haus, da hat einer den Finger auf den Knopf gedrückt und nimmt ihn nicht mehr weg. Suzan schüttelt den Kopf und die Schultern wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt. Sie geht zur Tür.
    »Du hast ja gar keinen Mantel an! Komm schnell rein!«
    Sie streckt die Arme nach Roos aus, die breitbeinig vor der Tür steht und sie mit bohrendem Blick anstarrt.
    »Fass mich nicht an! Wo ist Papa?«
    Suzan tritt erschrocken zur Seite. Roos stürmt in den Flur und ruft laut nach ihrem Vater. Peter kommt die Treppe heruntergerannt und schließt seine Tochter in die Arme.
    »Sch, ganz ruhig«, sagt er, den Mund in ihren wirren Haaren, »komm erst mal zu dir, du bist zu Hause, jetzt ist alles gut.«
    »Nein! Es ist überhaupt nicht gut, es ist schrecklich!«
    Sie reißt sich aus seiner Umarmung los und zeigt auf Suzan.
    »Sie, sie …« Von einem Weinkrampf überwältigt, klappt Roos vornüber. Speichelfäden hängen ihr aus dem Mund, und sie drückt die Fingerknöchel in ihre Augenhöhlen. Dann richtet sie sich auf und sieht Suzan an.
    »Du hast mit meinem Freund geschlafen. Er hat mir alles erzählt. Die Rumpelkammer. Die Nachtdienste. Alles. Du hast ein Verhältnis mit ihm gehabt, du hast ihn verführt. Es ist zum Kotzen. Mit meinem Freund!«
    Peter erstarrt.
    »Gottverdammt, Suus, das darf doch nicht wahr sein! Es stimmt also doch? Du hast mich angelogen? Was ist los mit dir? Antworte!«
    Suzan lehnt an der Wand. Über die Köpfe von Peter und Roos hinweg starrt sie auf die gegenüberliegende Wand. Sie bleibt stumm.
    »Du warst meine Mutter, erinnerst du dich?«, sagt Roos sarkastisch. Peters Unterstützung tut ihr offensichtlich gut.
    »Mütter haben ihren Töchtern nicht den Freund auszuspannen. Dafür sind sie auch viel zu alt. Aber das blendest du natürlich aus. Du denkst ja nur an dich.«
    Peter steht regungslos neben seiner Tochter. Seine Arme hängen schlaff am Körper herab. Er fixiert Suzan. Sein Gesichtsausdruck ist nicht zu ergründen.
    Roos schluchzt laut.
    »Dieser Scheißkerl«, stößt sie hervor. »Dieser Betrüger. Ging weg, leider, leider, wie blöd, dass er zur Arbeit muss, wenn er doch bei mir bleiben könnte – und dabei ging er zu dir!«
    Jetzt wird Peter aktiv. Er reibt Roos über den Rücken.
    »Wasch dir kurz das Gesicht, Roos. Und dann gehen wir.«
    Sie schleppt sich die Treppe hinauf ins Badezimmer. Wasser rauscht durch die Leitungen. Peter wendet sich an Suzan.
    »Dass du eine Affäre mit einem Kollegen hast, mag ja noch angehen. So was passiert schon mal. Dass dieser Kollege ein Schützling von dir ist, macht es nicht besser, aber bis zu einem gewissen Punkt ist auch das zu verstehen. Sogar von mir, vorausgesetzt, ich wüsste, dass du dich bemühst, das Ganze zu beenden, sowie du zur Vernunft gekommen bist.
    Dass du mich aber knallhart anlügst, wenn ich dich mit der Sache konfrontiere, ist etwas anderes. Das akzeptiere ich nicht. Wir sind immer Kameraden gewesen, Freunde. Ich will nicht von dir hintergangen werden. Es gibt Grenzen. Die hast du überschritten.«
    Suzan hört seine Worte, aber deren Bedeutung erreicht sie nicht. Sie blickt in Peters verzerrtes Gesicht, sie sieht seine hochgezogenen Schultern.
    »Was du Roos angetan hast, ist wirklich das Allerletzte! Mit der eigenen Tochter zu konkurrieren, das eigene Kind auszubooten und derartig zu demütigen! Mit einer, die so etwas tut, möchte ich nicht mehr unter einem Dach leben.«
    Er will noch mehr sagen, aber oben wird die Badezimmertür zugeschlagen, und Roos kommt die Treppe herunter.
    Peter reißt seinen Mantel von der Garderobe. Roos macht die Tür auf, und ein kalter Windhauch zieht durch

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