Die Betäubung: Roman (German Edition)
entgangen? Habe ich nicht aufgepasst, wenn du von deiner Arbeit erzählt hast?«
Alles abstreiten, denkt sie. Eisern.
»Wie kommst du denn darauf?«
»Das hat mir ein Augenzeuge erzählt. Vor einer Stunde. Ich möchte also gern hören, was du dazu sagst.«
»Auf solchen Klatsch reagiere ich nicht. Wer sagt so was?«
»Ein Kollege von dir. Kronenburg. Untadeliger Mann.«
Herrje, denkt sie. Wie rede ich mich da heraus? Und wozu überhaupt?
»Du glaubst doch wohl nicht so ohne weiteres, was dieser Kerl sagt. Der spinnt doch. Wie ist der überhaupt auf dich gekommen?«
»Er rief wegen eines Termins in der Ambulanz an. Berufliche Probleme, sagte er. Man habe ihm geraten, sich mal nach Coachinggesprächen zu erkundigen. Wie gut ist deine Beziehung zu Schuurman?«
»Gut. Ich war seine Supervisorin. Bisschen besorgt, nach dem Theater auf dem Dach. Ansonsten habe ich nichts mit ihm zu schaffen.«
Kann ich meinen Mantel ausziehen? In den Kühlschrank schauen? Das Gespräch als beendet betrachten? Nein, er ist noch aufgebracht.
»Er hat euch in einer Besenkammer überrascht. Schuurman hatte die Hand in deiner Hose. Was hast du dazu zu sagen?«
Peters Stimme zittert.
»Wir haben auf unserer Abteilung gar keine Besenkammer. Vielleicht hat er uns im Kaffeeraum nebeneinander sitzen sehen, was weiß ich. Dieser Kronenburg ist am Ende, Vereycken will ihn rausschmeißen und hat ihn schon abgemahnt. Er ist ein schlechter Anästhesist und unmöglich in der Zusammenarbeit. Der spinnt, Peter.«
Nicht zu viel sagen. Ruhig bleiben. Abwarten.
»Hm, könnte sein. Als ich ihn aus dem Wartezimmer holte, kam ihm die Sekretärin nach. Er habe seinen Wagen auf den Parkplatz der Akuthilfe gestellt. Ein Porsche übrigens. ›Es ist akut, meine Gnädigste, und ich habe Dienst‹, erwiderte er und ließ sie einfach stehen. Er hat behauptet, die gesamte Abteilung rede darüber, dass du ein Verhältnis mit diesem Schuurman hast. Wie kommt er denn dazu?«
Suzan zuckt die Achseln.
»Keine Ahnung.«
»Er hat gleich davon angefangen. ›Lagrouw‹, sagte er, ›ich habe eine Kollegin, die auch Lagrouw heißt.‹ Und dann legte er los. Ich wurde natürlich wütend. Sagte, dass mir die Probleme seiner Kollegen wenig relevant erschienen, er wolle doch wohl über seine eigenen Probleme sprechen, wenn ich ihn recht verstanden hätte. Es stimmt also nicht?«
»Natürlich nicht. Er saugt sich das aus den Fingern.«
»Aber das muss doch irgendeinen Grund haben, Suus!«
Peter hat sich endlich gesetzt. Suzan knöpft ihren Mantel auf. Ein Grund. Gib ihm eine Erklärung. Ist Rudolf neidisch auf deinen herausragenden Status unter den fest angestellten Anästhesisten? Hast du ihn mit irgendwas vor den Kopf gestoßen? Trägt er dir irgendwas nach?
»Er hat mich hin und wieder ins Vertrauen gezogen. Wegen seiner Probleme. Ich durfte mit niemandem darüber reden. Hab ich gern gemacht, es tut mir ja auch leid für ihn, mit seiner Reputation kommt er doch nirgendwo mehr unter. Vorige Woche fing er wieder davon an. Da habe ich nicht richtig zugehört, weil ich eine schwierige Operation vorzubereiten hatte. Er hat geredet und geredet. Schließlich habe ich gesagt: ›Hör auf zu jammern und mach eine Therapie.‹ Ich hatte das im Scherz gesagt, aber so hat er es offenbar nicht aufgefasst. Jetzt will er es mir heimzahlen. Anders kann ich es mir nicht erklären.«
Peter nickt. Suzan spürt, wie sich ihr Herzschlag beruhigt. Sie steht auf, um ihren Mantel in den Flur zu bringen.
»Du dürftest mir das gar nicht erzählen«, sagt sie, als sie zurückkommt. »Du unterliegst doch der Schweigepflicht.«
Peter hat Wein eingeschenkt. Gut, denkt sie, es legt sich, ich habe ihn beruhigt.
»Das mag sein«, erwidert Peter, »aber wenn mich ein Patient derart aufstachelt und in Harnisch bringt, kann ich nicht einfach weitermachen. Das muss aus der Welt, das hat dann Priorität. Solche Geschichten muss ich überprüfen, so viel Freiheit muss sein, wo käme man denn sonst hin. Es gehört sich natürlich nicht, da hast du recht, aber ich tue es trotzdem. Und du bist ja nicht irgendwer. Du wirst nicht herumposaunen, dass dieser Kerl zu mir kommt. Davon gehe ich zumindest aus.«
»Denkst du, dass er wiederkommen wird? Machst du mit ihm weiter?«
»Er hat noch einen Folgetermin. Ich schätze mal, den wird er absagen. Oder er kommt einfach nicht. Der Mann ist ein narzisstisches Bollwerk. Ein hoffnungsloser Fall, in therapeutischer Hinsicht. Ein typischer Klient, der
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