Die Bettelmoenche aus Atlantis
wir hören«, flüsterte Tarzan, »dass er nicht in seinem Zimmer ist. Vielleicht begreift sie dann, wie falsch es war, unsere Warnung in den Wind zu schlagen.«
Die Besenkammertür wurde geöffnet. Klößchens Mondgesicht lugte heran. »Nun?«
»Seine Mutter sieht nach, ob er noch im Bett liegt«, antwortete Gaby.
Im Flur ertönte das Pausenläuten. Eigentlich sollte sich jetzt jeder in seine Klasse begeben.
Na schön, dann kommen wir eben zu spät!, dachte Tarzan. Ralfs Schicksal geht vor:
Am anderen Ende der Leitung wurde der Hörer aufgenommen.
»Er schläft wie ein Murmeltier«, sagte Frau Müller. »Aber er sieht im Gesicht aus wie Magermilch. Und ich glaube, er hat sich übergeben. Im Bad, meine ich. Wahrscheinlich ein verdorbener Magen.«
»Ach?«, meinte Tarzan verblüfft. »Er liegt also im Bett. Na ja, es wird schon nichts Ernstes sein. Dann grüßen Sie ihn, bitte! Und gute Besserung!« Er legte den Hörer auf. Zu seinen Freunden sagte er: »Diesmal habe ich – Gott sei Dank! – daneben getippt.«
*
Am späten Vormittag ließ der Regen nach. Mittags klarte es auf. Die Sonne kam hervor. Felder und Wiesen dampften. Die Luft roch angenehm nach Mai.
»Das ist Bettelwetter«, sagte Tarzan, als er mit Klößchen beim Mittagessen saß. »Jetzt sind die Mönche unterwegs. Wenn es wie aus Kübeln schüttet, wirkt sich das sicherlich nachteilig auf ihre Konjunktur (Wirtschaftslage) aus. Könnte sein, sie bleiben dann zu Hause.«
»Wenn ich daran denke, was du vorhast«, sagte Klößchen, »bleibt mir das Essen im Hals stecken.«
Er spießte rasch drei Stück Gulaschfleisch auf die Gabel und schluckte den Brocken, ohne zu kauen.
»Denk lieber nicht daran«, lachte Tarzan. »Es wäre ein Jammer, wenn dir die Luft wegbliebe.«
»Hast du gar keine Angst?«
»Angst? Vor wem? Wenn ich als Installateurlehrling auftrete, werden höchstens ein bis zwei Bettelmönche im Landhaus sein. Sollte alles schief gehen, zeige ich denen ein paar Judogriffe, an die sie ihr Leben lang denken werden.Aber ich rechne nicht damit, dass es so weit kommt.«
Klößchen raffte sich zu einer kameradschaftlichen Schwindelei auf, indem er behauptete: »Ich wäre ja schrecklich gern mitgekommen. Aber ich kann die Nachhilfestunde nicht schwänzen.«
»In diesem Fall könntest du mir auch gar nicht helfen,Willi. Und es ist unauffälliger, wenn ich allein rausfahre. Mit Karl habe ich alles abgesprochen. Punkt halb drei – spätestens – liege ich auf der Lauer. Fünf Minuten später ruft er als Polizei-Oberamtsrat an. Salwa und Thibar werden ins Präsidium bestellt, zu Zimmer 13a. Sobald sich die beiden auf die Socken machen, trete ich in Aktion.«
Bewundernd meinte Klößchen: »Du hast Nerven wie ein Stuntman (Jemand, der beim Film den Schauspieler in gefährlichen Szenen vertritt).«
Nach dem Essen verlor Tarzan keine Zeit. Er lud sich den Rucksack auf, den Karl mitgebracht hatte, holte sein Rad aus dem Fahrradkeller und fuhr durch die schwadige Luft in Richtung Landhaus. Im Rucksack befanden sich eine Werkzeugtasche mit Inhalt sowie ein blauer Overall, der so viele Ölflecken hatte, dass er sich wie Leder anfühlte. Er war Tarzan ein bisschen zu klein. Aber schließlich wollte er den Bettelmönchen, die das Haus bewachten, keine Modenschau vorführen. Er begegnete niemandem. Im Wald brodelte die Luft. Der Boden hatte sich mit Regen vollgesogen. Die Sonne holte ihn als Brodem hervor.
Tarzan bog in die Forststraße ein, fuhr bis zur letzten Biegung, sprang vom Rad und schob es unter die Bäume, wo er es hinter dichten Sträuchern versteckte.
Er öffnete den Rucksack, zwängte sich in den Overall, nahm die Werkzeugtasche und arbeitete sich durch die Büsche bis zum Waldrand. Sonne überflutete den Vorplatz.
Hinter den Doppelstamm einer Eiche geduckt, beobachtete er das Landhaus.
Es war 14.23 Uhr.
Die Tür zur Eingangshalle stand offen, wie üblich. Der Kleinbus fehlte. Aber der uralte VW wartete. Offenbar diente er Thibar und Salwa zum privaten Gebrauch.
Tarzan stellte die schwere Werkzeugtasche ab. In ihr war noch genügend Platz gewesen, um den kleinen Karton mit der Abhörvorrichtung aufzunehmen. Das Radio war nicht größer als ein dickes Taschenbuch, das Mini-Tonbandgerät noch kleiner. Um die Anlage gegen die Feuchtigkeit des Bodens zu schützen, hatte Tarzan sich eine wasserdichte Plastiktüte besorgt. In Grün oder Dunkelbraun hätte er sie gern gehabt, damit sie unauffällig mit dem Waldboden verschmolz. Leider
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