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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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mich und den Hannes sogar festsetzen lassen im Turm, dass ich nicht heimlich ausreißen tät. Da hab ich eine Bittschrift an unsern lieben König geschickt, damit er mich wieder ins Bürgerrecht aufnimmt. Hat mich mein ganzes Geld gekostet, weil ich ja selber nicht gescheit lesen und schreiben kann, aber es war eh alles für die Katz. Bin dann dahin zurück, wo ich mich auskenn: auf die Landstraß. Irgendwann – es war ein warmer Junitag, und überall hatt’s nach Rosen geduftet – hab ich den Fidelis getroffen, einen Wanderhirt. Mei, war das ein schöner junger Mann! Mit dem bin ich rumgezogen, aber als ich dann einen dicken Bauch hatt von ihm, hat er mich sitzenlassen. Hab den Fidelis auch nie wiedergesehen, nur gehört, dass er auf freiem Feld vom Blitz erschlagen wurd. Heiraten hätt ich ihn eh nicht dürfen, weil die Gesetze so streng waren für die, die nichts zu beißen haben.»
    Sie schwieg, und ihr Blick ging ins Leere. Sie schien weit weg zu sein. Dann fuhr ein Ruck durch den zerbrechlichen Körper.
    «War ja ganz allein mit dir, den Hannes hatt ich in Eglingen gelassen. Hab mich mit Schmuggel über Wasser gehalten, an der Grenze zu Baden. Mit Kaffee und Zucker, das lief nicht schlecht. Die Grenzbauern dort haben’s alle so gemacht, das war nix Schlimmes. – Ach herrjeh.» Sie seufzte. «Wie lang das alles her ist.»
    Verstört fragte Theres: «Dann – dann ist Jakob Ludwig gar nicht mein Vater?»
    «Aber nein. Nur der vom Hannes.»
    «Und wo – wo bin ich geboren?»
    «Der Hannes in Eglingen und du in – in   …»
    Sie dachte nach. Genau wie Hannes zog sie dabei die Nasenwurzel in Falten. «Im Oberland. Das Dorf hieß   … Warte, mein Kopf gehorcht mir nicht immer gleich. Ja! Es war in Bietingen, bei Messkirch. Jetzt weiß ich’s wieder. Dafür, dass du auf die Welt gekommen bist, bin ich zur Straf auf acht Tag ins Dorfzuchthäusle gesprochen worden, mit Schärfung durch schmale Kost. Weißt, Theres, eine Frau darf nicht einfach ein Kind kriegen, wenn’s keinen Vater gibt.»
    Wieder verfiel sie in Schweigen. Theres ließ ihre Hände los. Sie konnte es nicht fassen: Sie war gar nicht Jakob Ludwigs Tochter, sondern das heimliche Kind eines Wanderhirten. Das war noch viel weniger wert als eine Taglöhnertochter, und viel unehrenhafter.
    Ihre Mutter beugte sich ihr nun entgegen. Sie strich Theres’ Haube zurück und fuhr ihr zärtlich über Stirn und Wangen.
    «So wie du hab ich auch mal ausgesehen», sagte sie. «So jung und schön und voller Leben. Das feste, kastanienbraune Haar hast von deinem Vater, meines war fast schwarz. Aber die dunklen Augen sind von mir.»
    «Was war dann? Als ich weg war von dir?»
    Hatte Maria Bronner eben noch ganz ruhig gewirkt, wieeine ins Alter gekommene Frau, die ihrer halberwachsenen Tochter aus ihrem Leben erzählt, so ging jetzt eine plötzliche Veränderung mit ihr vor. Sie ließ Theres’ Gesicht los, sackte in sich zusammen, mit glasigem Blick, und wurde mit einem Mal wieder zu dieser erbarmungswürdigen Kreatur, die Theres beim Eintreten vorgefunden hatte.
    «Hab mich durchgeschlagen, bin von hier nach da. Mal allein, mal mit andern ledigen Weibern. Davon gibt’s genug auf der Straß. Hatte auch Gesellschaft mit Männern, da gab’s gutes Geld oder Essen dafür. Oder Arrest, mal auf drei Tage, mal auf acht. Auch wenn sie mich beim Straßenbettel erwischt hatten, weil’s doch keine Arbeit nirgendwo gab, haben sie mich weggesperrt. Hab mal im Winter Wengertpfähle geklaut und im Wald frisches Holz geschlagen, das gab viel Geld. Da musst ich zum ersten Mal ins Zuchthaus, weil ich doch eine liederliche Landstreicherin wäre und eine Diebin. Aber ich war gar nie liederlich, glaub mir. Bei jeder Rast haben wir unsre Strümpfe und Röcke geflickt und die Schuh mit Schweineschmalz eingeschmiert. Als ich mal am See unten ein bissle auf dem Handel herumgezogen bin, mit Bändeln und Schnüren, da konnt ich mir sogar frischgesohlte Schuh aus Leder leisten! Ordentlich und freundlich war ich immer, wenn ich an die Tür geklopft hab.»
    «Warum bist du nie nach Eglingen gekommen?»
    Ihre Mutter stieß ein trauriges Lachen aus.
    «Weil ich mich nicht getraut hab. Hättet ihr so eine Mutter haben wollen? Ihr hättet euch geschämt für so eine, die mit dem Landstreichergesindel rumzieht. Für so eine Diebin und Bettlerin, die immer wieder ins Loch gesteckt wird. Aber dafür bin ich im Leben rumgekommen. Ja, mein Kind, ich kenn sie alle, die Gefängnistürme, die

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