Die Bettgeschichte (T-FLAC) (German Edition)
Kreis herumläufst.«
»Es ist mir völlig egal, was mein blöder Arzt will. Ich habe nur ein paar Stiche gebraucht. Aber warum dauert es bei Marnie so lange?« Jake hörte sich selber reden und hielt inne. Er benahm sich wie ein trotziges Kleinkind. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Das Gehen zog an den Stichen an seiner Seite. Es war ein glatter Durchschuss gewesen, der allerdings eine klaffende Austrittswunde hinterlassen hatte.
»Danke für die Information. Ich werde ein bisschen spazieren gehen.«
»Aber spann die Schwestern nicht wieder für irgendetwas ein«, warnte ihn Kyle. Jake nickte und lief aus dem beengenden Zimmer den Korridor hinunter zu Marnies leerem Zimmer. Marnies Vater und ihre Brüder hatten sich sehr zurückgehalten. Wenn Marnie seine Schwester gewesen wäre -
Er schüttelte den Kopf und konnte sich nicht erklären, warum die Männer seine Darstellung des Geschehens ohne weiteres für bare Münze genommen hatte. Sicher, Michael Wright war ein Navy-SEAL und hatte von T-FLAC gehört. Sie waren sozusagen im gleichen Geschäft. Trotzdem erstaunte es ihn, dass sie ihm glaubten und alle behördlichen Formalitäten geregelt und die Presse abgewimmelt hatten.
Sie waren auch bemerkenswert ruhig geblieben, als er vollkommen durchgedreht war, weil die Ärzte ihm Marnie weggenommen hatten. Er hatte sich wie ein Wahnsinniger aufgeführt-
Wenn er fiel, fiel er tief, wie es aussah.
Er lief in Marnies sterilem, weißem Krankenzimmer herum. Die Vorhänge waren offen, und von draußen fiel vormittäglicher Sonnenschein herein. Er ging die vier Schritte zum Fenster. Das Zimmer lag im zweiten Stock auf der bergabgewandten Seite, der Blick ging ins Tal hinunter.
Er musste sie sehen, sie fühlen, sie halten.
Er stützte die Hände aufs Fensterbrett und schaute blicklos über die Baumkronen. Wie konnte die Sonne es wagen, zu scheinen? Wie konnte sie einfach so am Firmament stehen, als sei nichts geschehen? Wo blieb der Regen? Der Graupel? Der versprochene Schneesturm?
Hier in diesem leeren Zimmer zu stehen und den typischen Krankenhausgeruch zu riechen, drehte Jake fast den Magen um. Wozu in aller Welt brauchen sie so ewig? Wie lange konnte es dauern, Marnie zuzunähen?
Er lief zur offenen Tür zurück, drehte sich um und ging ans Bett.
Während der letzten zweieinhalb Stunden hatte er vielleicht zwanzig Minuten hier drin verbracht. Es half-ein bisschen. Er sank in den Stuhl, den er sich vor Stunden ans Bett geschoben hatte.
Die straff gespannten Decken und Laken warteten auf Marnie. Genau wie er. Er stützte die Ellbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände.
Er stand auf, lief im Kreis, machte die Vorhänge zu und wieder auf und wieder zu, lief wieder im Kreis herum.
Eine derartige Aufregung hatte in der kleinen Klinik noch nie geherrscht. Jake wurde jetzt noch rot vor Ärger und Verlegenheit. Was für ein gottverdammtes Fiasko. Als er schon bandagiert in einem sterilen, weißen Zimmer gelegen hatte, hatte Marnies Operation gerade erst angefangen. Er wartete schon eine Ewigkeit darauf, dass man sie wieder aus dem OP herausrollte. Jake griff zum Telefon, um wenigstens ein paar Dinge zu erledigen, während er wartete.
Nachdem er ein paar Telefongespräche geführt hatte, setzte er sich auf das Bett. Er lehnte sich in die Kissen, schwang die Beine auf die faltenlose Decke und schaffte es nicht, die Augen zu schließen, weil er immer wieder dieses Bild vor sich sah: Marnie lief mit angstverzerrtem Gesicht auf ihn zu und warf ihren gesunden, geschmeidigen jungen Körper in die Schusslinie, um die Kugel abzufangen, die für ihn bestimmt gewesen war. Und ihr leichtes Gewicht hatte ausgereicht, ihn aus der Gefahrenzone zu katapultieren.
Die Mischung aus Schmerzmitteln und zu vielen schlaflosen Nächten zermürbte Jake so, dass er endlich die schweren Lider über die blutunterlaufenen Augen schloss.
Das Quietschen der Räder weckte ihn. Er war sofort auf den Beinen. Die Tür schlug gegen die Wand, und sie rollten Marnie herein. Sie lag totenstill unter einem blauen OP-Laken,das Haar unter einer Haube aus Papier.
»Was machen Sie im Zimmer meiner Patientin?«, schnauzte der Doktor ihn an, unrasiert und verwildert, wie er aussah.
Jake warf dem Arzt einen kurzen, viel sagenden Blick zu, bevor er sich über die Bahre beugte. Marnies rechter Arm steckte in einem viel zu weißen Gips. Er berührte mit den Fingerspitzen die blauen Äderchen auf ihren Lidern. Ihre Haut war dünn wie Pergament.
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