Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
bis zehn …
Halb taumelnd, halb stolpernd, machte sich der verbitterte Brian Kibby entschlossen auf den Weg bergab, zu seiner Siedlung. Kurz vor zu Hause geriet er außer Atem und musste stehen bleiben, um sich auszuruhen. Er befand sich gleich neben einem Spielplatz mit Schaukeln, wo, überwacht von einigen Erwachsenen, mehrere Kinder spielten. Kibby stand da, keuchend und ins Leere starrend. Einer der Erwachsenen, der einzige Mann, ein drahtiger Typ Anfang dreißig, machte ein paar Schritte auf ihn zu. – Du da!, rief er Kibby zu, ehe er mit dem Daumen den Weg runter zeigte. – Geh weiter!
– Was?, sagte Kibby, erst abwesend, dann fast ärgerlich, als ihm die Ungerechtigkeit der Situation bewusst wurde. Und Kibby fürchtete sich, kämpfte gegen seine Atemlosigkeit an und ging weiter. Es war nicht der Mann, der ihm Angst machte – dazu war sein eigener Zorn jetzt zu groß –, aber er fürchtete, als Perverser abgestempelt zu werden, seine Mutter und seine Schwester im Viertel in Verruf zu bringen.
Vielleicht bin ich ein Perverser … diese Wichserei, wie ein Tier, ich widerlicher Mensch … wie lange wird es noch dauern, bis ich mich an Kindern vergreife … ? Nein …
Als Kibby nach Haus kam, war niemand da. Gut möglich, dass seine Mutter einkaufen war. Er schleppte sich ins obere Stockwerk und bunkerte den Whisky unter seinem Bett. Als er wieder unten war, ließ er sich mit seinem ausladenden Körper aufs Sofa plumpsen. Nach einer Weile hörte er ein Scharren, gefolgt von der ächzenden Drehung eines Schlüssels im Schloss. Das Geräusch hatte ihm nie etwas ausgemacht, aber jetzt war es eine deutliche Quelle des Verdrusses. Er musste das Schloss mal ölen.
Dad hätte …
Kibby saß schwitzend auf der Couch, atmete mühsam und flach und wünschte, er hätte zumindest noch einen Whisky mehr intus. Er war versucht, nach oben zu gehen und sich einen zu holen, aber sein schlechtes Gewissen suggerierte ihm, dass Joyce das direkt in seinem Atem riechen würde. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass sich ein trotziger, aggressiver Zug um seinen Mund legte, als die Tür aufging.
Allerdings war es nicht Joyce, es war Caroline. Er erinnerte sich, dass sie gesagt hatte, sie würde ihrer Mutter beim Kochen zur Hand gehen, bevor Skinner vorbeikam. Brian Kibbys Stimmung hob sich. Es war das erste Mal seit Ewigkeiten, dass er mit ihr allein war. Jetzt würde er dazu kommen, seiner Schwester zu sagen, wie Skinner wirklich war, ehe er sie zerstörte, genau wie er es sicher mit ihm gemacht hatte.
– Caroline, keuchte er, um sich bemerkbar zu machen.
Caroline Kibby roch die Fahne ihres Bruders. Musterte kritisch seine Wangen: vergröbert, trockener und geröteter als sonst.
– Geht’s dir gut?
– Aye … tut gut, dich zu sehen, schniefte Kibby, erst noch zerknirscht, bevor ein Rinnsal von Alkohol in seinem Gehirn ein abwägendes halbes Grinsen zustande brachte. – Was macht das Studium?, sagte er mit düsterem Nachdruck, um festen Stand bemüht.
Das Zimmer dreht sich irgendwie, aber so schlimm ist es nicht, es ist als … wen interessiert’s?
– Es ist ein bisschen stressig, um ehrlich zu sein, sagte Caroline achselzuckend, auf der Stelle beruhigt, dass ihr Bruder immer noch dieselben alten Prioritäten hatte. Ein wenig geistesabwesend und zerstreut, setzte sie sich in den großen Lehnstuhl, rollte sich darin zusammen, griff nach der Fernbedienung und knipste den Fernseher an. Er lief ohne Ton, und ein Nachrichtensprecher bewegte die Lippen in stummer Seriosität, anschließend Filmaufnahmen von Frauen und Kindern im Nahen Osten, weinend auf einem Trümmerhaufen. Das nächste Bild zeigte einen bis an die Zähne bewaffneten amerikanischen Soldaten. Dann Schnitt zu einem orientierungslos wirkenden George Bush, der aussah, als hätte er Verstopfung, und einem affektiert lächelnden Tony Blair, umringt von Anzugtypen, bei irgendeinem Empfang.
Kibby fühlte etwas in sich hochsteigen, durch sein wässriges, aufgeschwemmtes Fleisch hindurch, durch die meterbreiten verschlackten Zwischenräume, die zwischen jeder Zelle, jedem Neuron zu bestehen schienen.
Die lassen das andere für sich machen. Die haben das Geld und die Macht, und das Einzige, was sie interessiert, sind sie selbst und ihre Eitelkeiten. Aber sie sind ja nicht diejenigen, es sind nicht ihre Söhne oder Töchter, die irgendwohin müssen, um zu kämpfen und zu morden oder verwundet oder getötet zu werden, um ihre bescheuerten Vorstellungen zu
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