Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
Hasenzähnen, das im Lauf des Abends immer attraktiver wurde. In seinen Taschen war viel Kleingeld, Unmengen Pfundmünzen. Kaum Scheine, aber siebenunddreißig Pfund in Münzen.
Aber seine alte Lederaktentasche … die Präsentation, die war weg. Irgendeiner der Jungs hatte sie bestimmt in einer Kneipe zur Sicherheit hinter der Theke deponiert. Na sicher. Die meisten würden aber erst um elf aufmachen, und dann war er längst dran. Er würde anrufen und sich krankmelden müssen. Vielleicht könnte er auch später kommen, dachte Skinner, während er im Kopf einen seit Jahrzehnten unbenutzten Karteikasten nach DerHund-hat-meine-Hausaufgaben-gefressen-Entschuldigungen durchsuchte.
Dann rief er Rab McKenzie auf dem Handy an, um einen lässigen Tonfall bemüht. – Roberto, alter Knabe, alles im Lack?
McKenzie durchschaute die vorgetäuschte Lässigkeit so leicht, als säße er mit Skinner im selben Raum. – Mann, warst du wieder breit gestern, du beschissenes Weichei. Wolltest mich beim Absinth nass machen. Lass die Finger davon, Alter.
Natürlich, diese verrückten, fieberhaften, halluzinogenen Ab sinth-Träume.
Panik ergriff Skinner mit eiserner Faust und schüttelte ihn wie eine Stoffpuppe durch. – Meine Aktentasche, Rab. Das Lederteil, das ich gestern beihatte. Hast du die gesehen?
– Puuh, davon weiß ich nichts, heuchelte McKenzie. Sein hänselnder Tonfall löste bei Skinner zugleich Angst und Erleichterung aus.
– Ist die bei dir?
– Kann schon sein, meinte McKenzie, der offenkundig seinen Spaß hatte, ohne jede Regung.
– Ich war also noch bei dir gestern?
– Aye.
– Her mit dem Ding, ich brauch die dringend, Rab.
– Tja, du weißt ja, wo du mich in ner halben Stunde antriffst, sagte McKenzie herausfordernd.
– Gut, sagte Skinner und legte auf. Ein abwegiger Gedanke packte ihn, die Idee, dass er es unter gewissen Umständen immer noch hinbiegen konnte.
Skinner zog sich die Strümpfe aus und wankte unter die Dusche. Ja, es konnte alles noch gerettet werden, aber das erforderte einen übermenschlichen Willen, den nur blanke Verzweiflung hervorbringen konnte.
Während er sich den Siffpanzer der letzten Nacht runter-schrubbte, spürte er, wie sein Körper in die Gänge kam und neuen Giftmüll zu verarbeiten und auszustoßen begann, dessen Gestank Cooper in die Nase steigen würde. Aye, da könnte sein Boss eine feine Duftnote kosten, während er sich an die Demütigung des Vorabends erinnerte und mit kalter, systematischer Verbitterung überlegte, wie er es Danny Skinner heimzahlen konnte.
McKenzie war Bauelektriker und musste erst nachmittags zur Arbeit, deswegen würde er sich diesen Morgen um halb neun in der Central Bar am Anfang des Leith Walk einfinden. Die Besprechung war um elf, und Skinner musste spätestens um zehn da sein, um noch innerhalb der gleitenden Arbeitszeit anzufangen. Er rechnete sich aus, dass er es haarscharf schaffen konnte. Das Erste, was er sah, als er ins Central kam, war McKenzie, der die Aktentasche hochhielt und damit wackelte. Big Mac tankte bereits Guinness.
Skinner betrachtete mit angeekeltem Neid das Glas schwarzen Nektars, das so verführerisch vor McKenzie auf der frisch polierten Theke thronte. Wie sehr verlangte es ihn nach dem beruhigenden Gefühl des Glases in seiner Hand, dem bitteren Geschmack der Flüssigkeit in seinem Mund, dem angenehmen Völ legefühl in seinem Bauch. Die Central Bar mit ihren freundlichen Sitznischen, der heimeligen Atmosphäre billiger Pracht, die an den einstigen Wohlstand des Viertels erinnerte und seine derzei tige schlichte, unprätentiöse Bodenständigkeit unterstrich. Wie sehr er sie doch liebte, und wie schrecklich, aus diesem warmen Schoß gerissen zu werden, den Hügel hoch zur Royal Mile, zu diesem Hort der Lüge, Heimtücke und Falschheit … ein s konnte er sich bestimmt gönnen. Nur ei n Pint, um sein Elend etwas abzufedern. Nur ein Stützbier. Aye, das würde ihn locker machen für seine Präsentation, daher war es nur vernünftig von ihm.
Beim zweiten Pint Guinness spürte Skinner, wie der ganze Alkohol der vergangenen Nacht wieder durch seinen Körper flutete. – Rab, lallte er in umnebelter Besorgnis (noch war es nur Besorgnis, nicht Panik, denn der Alkohol hatte die Dinge wieder ins Lot gerückt), – ich hab gleich diese Besprechung und bin schon wieder total breit …
Wie so oft, wenn dem Helden in der Welt der Schluckbrüder alles egal zu werden begann, war es sein Trinkkumpan, bis zu diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher