Die Beute - 2
wollen … Versteht denn meine Frau etwas von all diesen Dingen?«
Larsonneau schüttelte den Kopf und murmelte: »Gleichviel. Sie hätten eine einfachere Erklärung finden müssen.«
»Aber meine Geschichte ist doch die Einfachheit selbst!« sagte Saccard ganz erstaunt. »Wo, zum Teufel, sehen Sie denn irgendwelche Verwicklungen?«
Er war sich gar nicht bewußt, mit welcher Unzahl von Kniffen er die einfachsten Angelegenheiten zu behandeln pflegte. Er empfand ein aufrichtiges Vergnügen an der endlosen Geschichte, die er Renée aufgetischt hatte, und was ihn dabei entzückte, war die Frechheit seiner Lüge, die Häufung von Unmöglichkeiten, die erstaunliche Verwicklung der Intrige. Schon lange hätte er die Grundstücke haben können, hätte er sich nicht dieses Drama ausgedacht, aber sein Genuß wäre geringer gewesen, wenn er sie auf einfache Art bekommen hätte. Im übrigen handelte er mit der größten Naivität, als er aus der Charonner Spekulation ein finanzielles Melodrama machte.
Jetzt stand er auf, hakte sich bei Larsonneau ein und wandte sich nach dem Salon.
»Sie haben mich richtig verstanden, nicht wahr?« sagte er dabei. »Beschränken Sie sich darauf, meinen Weisungen zu folgen, später werden Sie mich loben … Sehen Sie, mein Lieber, Sie sollten keine gelben Handschuhe tragen, das verdirbt Ihnen die Hand!«
Der Enteignungsagent begnügte sich mit einem Lächeln und erwiderte nur leise: »Oh, die Handschuhe haben ihr Gutes, lieber Meister: man kann alles anfassen, ohne sich schmutzig zu machen.«
Als sie in den Salon traten, war Saccard überrascht und etwas beunruhigt, jenseits der Portiere auf Maxime zu treffen. Der junge Mann saß auf einer Causeuse, neben ihm eine blonde Dame, die ihm mit eintöniger Stimme eine lange Geschichte erzählte, wahrscheinlich ihre eigene. Er hatte in der Tat das Gespräch seines Vaters mit Larsonneau gehört. Die beiden Komplizen schienen ihm verteufelte Kerle zu sein. Noch aufgebracht über Renées Verrat, erfuhr er mit einer niederträchtigen Freude von dem Diebstahl, dessen Opfer sie werden sollte. Dadurch fühlte er sich ein wenig gerächt. Sein Vater reichte ihm mit etwas argwöhnischer Miene die Hand; aber Maxime flüsterte ihm ins Ohr, auf die blonde Dame deutend: »Sie ist nicht übel, wie? Ich will sie mir für diesen Abend erobern.«
Nun fing Saccard an, sich aufzuspielen, mimte den Galanten. Laure d’Aurigny setzte sich einen Augenblick zu ihnen; sie beklagte sich, daß sich Maxime kaum einmal im Monat bei ihr blicken lasse. Er behauptete jedoch, er sei sehr beschäftigt, worüber alles lachte. Dann fügte er hinzu, von nun an werde er ständig da sein.
»Ich habe eine Tragödie geschrieben«, sagte er, »und den fünften Akt erst gestern ersonnen. Ich gedenke, mich jetzt bei allen schönen Frauen von Paris auszuruhen.«
Er lachte und genoß seine Anspielungen, die nur er selber verstehen konnte. Im Salon waren außer ihm und Saccard, bloß noch Rozan und Larsonneau zurückgeblieben, jeder an einer Ecke des Kamins. Die beiden Saccards standen auf, ebenso die blonde Dame, die im Hause wohnte. Nun kam die d’Aurigny und sprach leise mit dem Herzog. Dieser schien überrascht und ärgerlich. Als sie merkte, daß er sich nicht entschloß, seinen Sessel zu verlassen, sagte sie halblaut: »Nein, heute abend wirklich nicht … Ich habe Migräne! Aber morgen, ich verspreche es Ihnen.«
Rozan mußte sich fügen. Laure wartete, bis er auf dem Treppenabsatz war, und flüsterte dann Larsonneau lebhaft zu: »Nicht wahr, großer Lar, ich halte Wort … Spediere ihn in seinen Wagen.«
Als sich die blonde Dame von den Herren verabschiedete, um in ihre im oberen Stock gelegene Wohnung zurückzukehren, war Saccard erstaunt, daß Maxime ihr nicht folgte.
»Na und?« fragte er.
»Ach nein«, erwiderte der junge Mann. »Ich habe es mir anders überlegt.«
Dann kam ihm ein Gedanke, den er sehr spaßig fand: »Ich trete dir meinen Platz ab, wenn du magst. Aber beeile dich, noch hat sie ihre Tür nicht zugemacht!«
Der Vater aber zuckte leicht mit den Achseln.
»Ich danke dir, mein Kleiner«, sagte er, »ich habe zur Zeit etwas Besseres.«
Die vier Herren gingen hinunter. Unten wollte der Herzog durchaus Larsonneau in seinem Wagen mitnehmen; seine Mutter wohnte im Marais, und er hätte den Enteignungsagenten im Vorbeifahren an dessen Tür in der Rue de Rivoli absetzen können. Dieser dankte, schloß selbst den Wagenschlag und befahl dem Kutscher, abzufahren. Und
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