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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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das Recht, zu sehen … Dann nahm er eine Zigarre aus der Tasche und zündete sie an. Renée hatte ihm immer erlaubt, bei ihr zu rauchen. Endlich zog sich Céleste zurück, und die junge Frau saß nun, ganz weiß in ihrem Nachtgewand, am Kaminfeuer.
    Maxime ging noch einige Minuten schweigend auf und ab und sah dabei verstohlen zu Renée hinüber, die wieder zu zittern begann. Dann stellte er sich breitbeinig vor den Kamin und fragte, die Zigarre zwischen den Zähnen, mit harter Stimme: »Warum hast du mir nicht gesagt, daß mein Vater der Herr ist, der gestern abend bei dir war?«
    Mit weitgeöffneten Augen, aus denen wahre Todesangst sprach, hob sie den Kopf; dann rötete eine Blutwelle ihr Gesicht, und vor Scham fast vergehend, barg sie es in beiden Händen und stammelte: »Du weißt das? Du weißt das?«
    Sie faßte sich, versuchte zu lügen.
    »Es ist nicht wahr! Wer hat dir das gesagt?«
    Maxime zuckte mit den Achseln.
    »Nun, mein Vater selber, der dich wirklich schön gebaut findet und mir von deinen Hüften erzählte.«
    Er hatte einen leisen Ärger durchblicken lassen. Doch er begann wieder auf und ab zu gehen und fuhr halb scheltend, halb freundschaftlich, zwischen zwei Zügen an seiner Zigarre fort: »Wahrhaftig, ich verstehe dich nicht; du bist eine merkwürdige Frau. Es ist deine Schuld, wenn ich gestern grob geworden bin. Hättest du mir gesagt, daß es mein Vater war, so wäre ich ruhig meiner Wege gegangen, begreifst du? Denn ich habe nicht das Recht … Aber du nennst mir Herrn de Saffré!«
    Die Hände vor dem Gesicht, schluchzte sie. Er näherte sich ihr, kniete vor ihr nieder und zog mit Anstrengung ihre Hände beiseite.
    »Komm, sage mir doch, warum du mir Herrn de Saffré genannt hast!«
    Darauf wandte sie den Kopf noch mehr zur Seite und antwortete sehr leise und unter Tränen:
    »Ich glaubte, du würdest mich verlassen, wenn du wüßtest, daß dein Vater …«
    Er stand auf, nahm wieder seine Zigarre, die er auf eine Ecke des Kamins gelegt hatte, und begnügte sich damit, zu murmeln: »Du bist aber wirklich komisch!«
    Sie weinte nicht mehr. Die Flammen des Kaminfeuers und die Glut ihrer Wangen trockneten ihre Tränen. Das Staunen darüber, daß Maxime bei einer Enthüllung, die ihn, wie sie glaubte, niederschmettern mußte, so ruhig blieb, ließ sie ihre Schmach vergessen. Wie in einem Traum sah sie ihn auf und ab gehen, hörte sie ihn sprechen. Er wiederholte ihr, immer noch die Zigarre im Mund, daß sie wohl nicht recht gescheit sei, daß er es durchaus natürlich finde, wenn sie Beziehungen zu ihrem Gatten unterhalte, daß er wahrhaftig nicht daran denken könne, sich darüber aufzuregen. Aber sich zu einem Liebhaber bekennen, den man gar nicht hat! Und immer wieder kam er darauf zurück, auf diese Sache, die er nicht zu begreifen vermochte, die ihm wirklich ungeheuerlich erschien, und sprach von den »verrückten Einbildungen« der Frauen.
    »Du bist ein bißchen verdreht, meine Liebe, dagegen muß etwas geschehen.«
    Schließlich fragte er neugierig: »Aber warum gerade Herr de Saffré und nicht ein anderer?«
    »Er macht mir den Hof«, sagte Renée.
    Maxime verschluckte eine unverschämte Bemerkung, er hatte sagen wollen, sie habe sich sicherlich für einen Monat älter gehalten, als sie Herrn de Saffré als ihren Liebhaber angab. Aber davon blieb nur das häßliche Lächeln über diese Bosheit übrig, und nachdem er seine Zigarre ins Feuer geworfen hatte, nahm er an der anderen Ecke des Kamins Platz. Hier predigte er Vernunft, gab Renée zu verstehen, daß sie gute Kameraden bleiben müßten. Der starre Blick der jungen Frau machte ihn trotz allem etwas verlegen; er wagte nicht, ihr seine Heirat anzukündigen. Sie sah ihn lange an, die Augen noch vom Weinen verschwollen. Sie fand ihn jämmerlich, beschränkt, verächtlich, und dennoch liebte sie ihn ebenso, wie sie ihre Spitzen liebte. Er war so hübsch im Licht des Kandelabers, der neben ihm auf dem Kaminsims stand. Wenn er den Kopf zurückbog, vergoldete der Kerzenschimmer sein Haar, glitt ihm über das Gesicht, über den zarten, entzückend blonden Flaum seiner Wangen.
    »Ich muß jetzt wirklich gehen«, sagte er mehrmals.
    Er war fest entschlossen, nicht zu bleiben. Renée hätte das übrigens auch nicht mehr gewollt. Alle beide dachten, sprachen es auch aus: sie seien nur noch zwei Freunde. Und als Maxime endlich der jungen Frau die Hand gereicht hatte und im Begriff war das Zimmer zu verlassen, hielt sie ihn noch einen

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