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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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großartig und banal wie alle Soireen, ging ihrem Ende entgegen. Es war beinahe Mitternacht, und die Gäste verabschiedeten sich nach und nach. Er wollte nicht mit einem unangenehmen Eindruck nach Hause und zu Bett gehen und beschloß deshalb, Louise zu suchen. Als er am Ausgang zum Vestibül vorbeikam, erblickte er dort die hübsche Frau Michelin, die ihr Gatte eben zärtlich in einen blaurosa Abendmantel hüllte.
    »Es war reizend, ganz reizend«, sagte die junge Frau. »Während des ganzen Essens war von dir die Rede. Er wird mit dem Minister sprechen, nur hängt die Sache nicht von ihm ab …«
    Und da ein Lakai neben ihnen im Begriff war, den Baron Gouraud in einen dicken pelzgefütterten Umhang zu verpacken, flüsterte sie ihrem Mann ins Ohr, während er ihr die Kapuze unter dem Kinn zuband: »Dieser Dickwanst könnte die ganze Angelegenheit ins reine bringen. Er erreicht auf dem Ministerium, was er will. Morgen, bei den Mareuils, muß man versuchen …«
    Herr Michelin lächelte. Er führte seine Frau so behutsam hinaus, als hielte er einen zerbrechlichen und kostbaren Gegenstand im Arm. Nachdem sich Maxime mit einem raschen Blick überzeugt hatte, daß Louise nicht im Vestibül war, ging er geradewegs in den kleinen Salon. Wirklich saß sie noch dort, fast allein, und wartete auf ihren Vater, der, wie es schien, den ganzen Abend mit den Männern der Politik im Rauchzimmer verbracht hatte. Die Marquise und Frau Haffner waren bereits fortgegangen. Nur Frau Sidonie war noch geblieben und erzählte gerade einigen Beamtengattinnen, daß sie eine große Tierfreundin sei.
    »Ah, da kommt ja mein kleiner Gatte!« rief Louise. »Nun setzen Sie sich und sagen Sie mir, in welchem Sessel mein Vater eingeschlafen sein mag. Er glaubt sich wohl schon in der Abgeordnetenkammer.«
    Maxime antwortete ihr im gleichen Ton, und bald fanden die jungen Leute in die helle Lachstimmung zurück, in der sie beim Essen gewesen waren. Maxime saß auf einem niedrigen Schemel zu ihren Füßen, ergriff schließlich ihre beiden Hände und scherzte mit ihr wie mit einem Kameraden. Und tatsächlich glich sie in ihrem weißen Foulardkleid mit den roten Tupfen, in der hochgeschlossenen Korsage mit ihrer flachen Brust, dem häßlichen kleinen Kopf eines schlauen Schlingels einem als Mädchen verkleideten Jungen. Zuweilen aber lag etwas wie Hingebung in ihren dünnen Armen, ihrer leicht verkrümmten Gestalt, und blitzartig leuchtete in ihren noch von Kindlichkeit erfüllten Augen Leidenschaft auf, ohne daß sie bei Maximes Getändel auch nur im geringsten errötet wäre. Und so lachten beide, glaubten sich allein und sahen nicht einmal Renée, die, den Blicken halb entzogen, mitten im Wintergarten stand und von weitem zu ihnen herüberschaute.
    Schon seit einer kleinen Weile hatte der Anblick von Maxime und Louise die junge Frau plötzlich hinter einem Strauch zurückgehalten, als sie eben einen Weg überqueren wollte. Rings um sie breitete das Treibhaus, das dem Schiff einer Kirche glich und dessen dünne eiserne Säulchen alle nach oben strebten, um das gewölbte Glasdach zu stützen, seine üppige Vegetation aus, seine mächtigen Blätterteppiche, das strahlende Feuerwerk seines Grüns.
    In der Mitte, in einem ovalen Bassin, dessen Rand in gleicher Höhe mit dem Erdboden lag, führte die gesamte Wasserflora der heißen Länder das geheimnisvolle meergrüne Dasein der Sumpfpflanzen. Cyclanthus reckte seine grünen Federbüsche empor und umgab in feierlichem Kranz den Springbrunnen, der dem abgeschlagenen Kapitell37 einer riesigen Säule glich. An beiden Enden erhoben große Monsteras ihr fremdartiges Strauchwerk über das Bassin; ihre trockenen, kahlen Stengel wanden sich wir kranke Schlangen und ließen ihre Luftwurzeln herabhängen wie im Freien aufgehängte Fischernetze. Nahe dem Rand entfaltete ein javanischer Paudanus seine Garben grünlicher, weißgestreifter Blätter, schmal wie Degenklingen, dornig und wie malaiische Dolche gezahnt. Und auf der Oberfläche des lauen, leicht erwärmten stehenden Wassers öffneten Lotosblumen ihre rosigen Sterne, während der Teufelskopf seine runden, warzigen Blätter schleppen ließ, die wie Rücken warzenbedeckter Riesenkröten flach auf dem Wasser schwammen.
    Anstatt eines Rasens umgab das Bassin ein breiter Streifen Selaginella; dieser Zwergfarn bildete einen dichten, zartgrünen Moosteppich, und jenseits des kreisförmigen Hauptweges strebten vier mächtige Baumgruppen in kraftvollem Schwung zur

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