Die Beute - 2
machte ihn mit Renées Eigenheiten bekannt, unterwies ihn, wie er sich verhalten müsse, um ihrer Herr zu werden.
Da sich jetzt Saccard einige Schritte von den jungen Leuten entfernt niederließ, schwieg Herr de Mussy, und Maxime schloß die Unterhaltung mit den Worten ab: »Ich, an Ihrer Stelle, würde sehr ritterlich vorgehen. Das hat sie gern.«
Am äußersten Ende des großen Salons gelegen, war das Rauchzimmer ein runder Raum in einem der Türmchen. Es war sehr kostbar, aber in einem ruhigen Stil eingerichtet. Die Tapete erinnerte an Corduanleder31, die Vorhänge und Portieren stammten aus Algerien, und der Plüschteppich wies persische Muster auf. Die mit holzfarbenem Chagrinleder32 bezogenen Sitzmöbel waren Puffs, Sessel und ein geschwungener Diwan, der sich der Rundung des Raums einfügte. Der kleine Deckenlüster, die Verzierungen des Rauchtisches, der Kaminaufsatz; waren aus blaßgrüner florentinischer Bronze.
Bei den Damen waren nur einige junge Leute geblieben und ein paar Tabakgegner, alte Herren mit blassen, welken Gesichtern. Im Rauchzimmer lachte und scherzte man recht frei. Herr Hupel de la Noue erheiterte die Herren sehr, indem er nochmals die Geschichte, die er bereits während des Essens erzählt hatte, zum besten gab, diesmal aber mit ausgesprochen anstößigen Einzelheiten. Das war seine Spezialität: er hatte für seine Anekdoten stets zwei Fassungen – eine für die Damen, die andere für die Herren. Als Aristide Saccard jetzt hinzukam, wurde er umringt und beglückwünscht. Und da er so tat, als verstehe er nicht, sagte ihm Herr Saffré in allseitig mit großem Beifall aufgenommenen Worten, daß er sich große Verdienste um das Vaterland erworben habe, als er die schöne Laure d’Aurigny daran hinderte, zu den Engländern überzugehen.
»Nein, wirklich, meine Herren, Sie irren sich«, stotterte Saccard mit geheuchelter Bescheidenheit.
»Aber geh, du brauchst dich doch nicht zu verteidigen!« rief Maxime ihm scherzend zu. »In deinem Alter ist so etwas sehr anerkennenswert.«
Der junge Mann warf jetzt seine Zigarre fort und kehrte in den Salon zurück. Viele der Geladenen hatten sich dort eingefunden. Die Galerie wimmelte von Herren im schwarzen Frack, die sich im Stehen mit halblauter Stimme unterhielten, und die weiten Röcke der Damen breiteten sich feierlich über die Kanapees hin. Lakaien begannen, auf silbernen Tabletts Eis und Punsch herumzureichen.
Maxime, der Renée sprechen wollte und genau wußte, wo er sie im Kreis der ihr gleichgesinnten Damen finden würde, durchschritt die Galerie in ihrer ganzen Länge. An ihrem Ende lag, als Gegenstück zum Rauchzimmer, wiederum ein runder Raum, aus dem man einen entzückenden kleinen Salon gemacht hatte. Mit seiner Wandbespannung, seinen Vorhängen und Portieren aus leuchtend butterblumengelber Seide, war ihm ein wollüstiger Zauber von originellem, erlesenem Geschmack eigen. Das Licht eines sehr fein gearbeiteten Kronleuchters sang eine Mollsymphonie in Gelb inmitten all der sonnenfarbenen Gewebe. Es war wie ein Rieseln gedämpfter Strahlen, wie ein Sonnenuntergang über einem Felde reifen Korns. Auf dem Boden verglomm das Licht in den welkenden Blättern des Aubussonteppichs. Ein mit Elfenbein eingelegter Ebenholzflügel, zwei kleine Schränke, deren Scheiben eine ganze Welt von Nippes sehen ließen, ein Tisch im Stil Ludwigs XVI.33, eine Wandkonsole mit einem wunderbaren Blumenarrangement genügten zur Ausstattung des Raumes. Die Sofas, Sessel, Puffs waren mit unterpolsterter goldgelber Seide bezogen, die von breiten schwarzen, mit grellfarbigen Tulpen bestickten Atlasstreifen durchschnitten wurde. Und außerdem gab es niedrige Schemel, ganz leichte Sesselchen, alle Arten zierlicher und seltsamer Taburetts34. Das Holz der Möbel war vollkommen unsichtbar; Seide und Polsterung überdeckten alles. Die sehr schrägen Rückenlehnen glichen runden, schwellenden Pfühlen verschwiegener Lagerstätten, auf denen man auf weichen Daunen schlummern und lieben konnte, inmitten dieser alle Sinne erregenden Mollsymphonie in Gelb.
Renée liebte diesen kleinen Salon, der durch eine seiner Glastüren mit dem herrlichen Treibhaus, das sich seitlich an das Palais anschloß, verbunden war. Tagsüber verbrachte sie hier ihre Mußestunden. Die gelbe Wandbespannung, weit davon entfernt, das matte Blond ihres Haares fahl wirken zu lassen, lieh ihm eigenartig flammende Goldreflexe; weiß und rosig, wie umspielt von Morgenlicht hob sich ihr Gesicht vom
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