Die Beute - 2
Wölbung empor; die Palmen, leicht und anmutig geneigt, spannten ihre Fächer aus, prangten mit ihren runden Kronen, ließen ihre Wedel herabhängen wie Ruder, die ihrer ewigen Reise durch das Blau der Luft müde geworden sind; die großen indischen Bambusstengel stiegen kerzengerade, schlank und hart empor, und von oben rieselte ihr leichter Blätterregen herunter. Eine Ravenala, der »Baum der Reisenden«, streckte ihren Strauß ungeheuer großer chinesischer Fächer in die Höhe; und in einer Ecke breitete ein fruchtbeladener Bananenbaum nach allen Richtungen waagerecht seine langen Blätter aus, auf denen zwei Liebende, eng aneinandergeschmiegt, bequem hätten liegen können. In den Winkeln wuchsen abessinische Euphorbien, diese dornigen, mißförmigen Kerzen voll schändlicher Höcker, die Gift ausschwitzen. Und unter den Bäumen bedeckten niedrige Farne den Boden: Frauenhaar, Saumfarn mit ihrem zarten Spitzengewebe, ihren fein gezackten Blättern. Die etwas höheren Hainfarne schichteten die sechseckigen Etagen ihrer symmetrischen Wedel so regelmäßig übereinander, daß sie wie große Fayenceaufsätze38 anmuteten, dazu bestimmt, irgendwelche riesigen Dessertfrüchte aufzunehmen. Ein Rand von Begonien und Kaladien faßte die Baumgruppen ein: die Begonien mit ihren schiefen, wundervoll grün und rot gefleckten Blättern, die Kaladien, deren weiße, von grünem Geäder durchzogene Blätter die Form von Lanzenspitzen haben und großen Schmetterlingsflügeln gleichen, alles wunderliche Pflanzen, deren Laub von fremdartigem Leben erfüllt ist, mit der düsteren oder bleichen Pracht schädlicher Blumen.
Hinter den Bäumen führte ein zweiter, etwas schmalerer Rundweg durch das Treibhaus. Hier blühten auf terrassenförmig ansteigenden Stufen, hinter denen halbversteckt die Heizröhren lagen, Pfeilwurz, der sich weich anfühlt wie Samt, Gloxinien mit ihren violetten Glocken, Drazänen, die wie von altem chinesischem Lack überzogene Klingen aussehen.
Wahrhaft bezaubernd aber waren in diesem Wintergarten die Grotten in den vier Ecken, tiefe Lauben, die ein dichter Vorhang von Schlingpflanzen verhüllte. Ein Stückchen Urwald hatte hier seine Blättermauern wachsen lassen, sein undurchdringliches Stengelgewirr, Kletterranken, die sich an die Zweige klammerten, kühn den leeren Raum überspannten und wie reiche Verzierungen von der Deckenwölbung herabhingen. Eine Vanillepflanze, deren reifen Schoten ein starker Duft entströmte, wand sich um einen moosbewachsenen Rundbogen; Kockelskornsträucher schmückten mit ihren runden Blättern die kleinen Säulen; Bauhinien mit roten Blütentrauben, Quisqualus, deren Blüten wie Glasperlenketten herabhingen, verwoben sich ineinander, rieselten herab, verknoteten sich, spielten und schlängelten sich unaufhörlich wie kleine Nattern im tiefen Schatten des Laubes.
Und unter den Bogenwölbungen hingen hier und dort zwischen den Pflanzengruppen, von dünnen Eisenketten gehalten, Körbchen voller Orchideen, diesen bizarren Himmelsgewächsen, die ihre dicklichen, wie kranke Gliedmaßen knotigen und verkrümmten Triebe nach allen Seiten aussenden. Hier gab es Venusschuh, dessen Blüte einem Feenpantoffel mit Libellenflügeln am Absatz gleicht, zart duftende Aeriden, Stanhopeas mit blassen, getigerten Blüten, die ihren herben, starken Atem, beizend wie aus der Kehle eines Genesenden, in die Weite hauchten.
Was aber von allen Wegbiegungen aus in die Augen fiel, war ein großer chinesischer Rosenstrauch, dessen ungeheurer Mantel aus Grün und Blüten die ganze Seitenwand des Palais bedeckte, an die sich das Treibhaus anschloß. Die großen Purpurblüten dieser Riesenmalve, von denen unaufhörlich neue entstehen, leben nur wenige Stunden. Sie erinnern an einen halbgeöffneten sinnlichen Frauenmund, an die roten, weichen und feuchten Lippen einer gigantischen Messalina39, die wund sind von Küssen und dennoch immer wieder mit ihrem gierigen, blutigen Lächeln zu neuem Leben erblühen.
Renée, die in der Nähe des Bassins stand, fröstelte jetzt inmitten dieser Blütenpracht. Die große Sphinx aus schwarzem Marmor, die, den Blick dem Aquarium zugewandt, hinter ihr auf einem Granitblock kauerte, hatte ein verstohlenes, grausames Katzenlächeln und schien mit ihren schimmernden Schenkeln die düstere Gottheit dieses heißen Bodens zu sein.
Zu dieser nächtlichen Stunde warfen mattierte Glaskugeln ihre milchige Lichtflut auf das Blattwerk. Statuen, Frauenköpfe, deren von Lachen
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